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Lübeck: Hoffnung auf warme Weihnachten in St. Marien

Für den Laien ist es nur ein großes Loch im Fußboden der Lübecker Marienkirche. Doch für Experten bietet der etwa drei Quadratmeter große und ein Meter tiefe Schacht wertvolle Einblicke in die Baugeschichte der mehr als 670 Jahre alten Basilika. „Hier ist das Heizsystem der Kirche von 1920 zu sehen. An anderer Stelle haben die Archäologen Mauerreste aus dem frühen 13. Jahrhundert gefunden“, erklärt die Leiterin der Bauabteilung des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg, Liane Kreuzer, und zeigt auf die rostigen Rohre im Boden des Westteils der Kirche.

Nach und nach werden in den kommenden sechs Monaten 15 solcher Schächte entstehen. „Wenn die Arbeiten an einem Feld abgeschlossen sind, beginnen wir mit dem nächsten“, sagt Kreuzer. Die jeweiligen Stellen werden durch ein kleines Zelt eingehaust, um den laufenden Betrieb in St. Marien so wenig wie möglich zu stören.

Nötig sind die Schächte deshalb, weil die Kirche im Zuge einer umfangreichen Sanierung eine neue Fußbodenheizung bekommen soll. Vorher schauen die Archäologen, ob im Boden historische Funde aus früheren Epochen liegen, die geschützt werden müssen.

Im Westteil der Kirche steht bereits ein knapp 40 Meter hohes Gerüst und suggeriert, die Sanierung habe bereits begonnen. „Über das Gerüst wurde aber bislang nur die Orgel abgebaut und eingelagert“, erklärt Marienpastor Robert Pfeifer. Baustart wird frühstens im Frühjahr 2026 sein, denn vor der Ausschreibung für den ersten Bauabschnitt muss der Zuwendungsbescheid des Bundes erstmal eintrudeln. Insgesamt wird die Sanierung fünf bis sechs Jahre dauern.

Die Marienkirche zählt zu den bedeutendsten Bauwerken der historischen Altstadt Lübecks, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. St. Marien wurde 1351 fertiggestellt und ist Vorlage für zahlreiche gotische Backsteinkirchen an der Ostseeküste. Der heutige Kirchenbau ist eine dreischiffige Basilika mit Umgangschor und Kapellenkranz. Mit 103 Metern Länge, dem 38 Meter hohen Mittelschiff und dem 126 Meter hohen Turmpaar war St. Marien eine der größten Kirchenbauten des Mittelalters.

Aber der Zahn der Zeit nagt an der Citykirche: Die alte Elektrofußbodenheizung ist schon seit 2016 defekt. Auch an diesem milden Herbsttag ist es in der Kirche feucht und kalt. Dass die Kirche nicht mehr ausreichend temperiert werden kann, wirkt sich auf die Kunstschätze aus. Schimmelbildung droht, in der erst kürzlich sanierten kleinen Briefkapelle blättert an einigen Stellen schon wieder die Farbe an den Wänden ab.

Gottesdienstbesucher müssen sich im Winter entsprechend warm anziehen. Zu den Weihnachtsgottesdiensten stand Pfeifer oftmals bei knackig-kalten fünf Grad auf der Kanzel, mit Wärmflasche unterm Talar. Mit der neuen regenerativen Heizung lässt sich der Kirchenraum künftig für Gottesdienste partiell auf bis zu 18 Grad im Winter aufheizen. „Das ist auch für St. Marien als Kulturstätte wichtig. Musikerinnen und Musiker brauchen eine gewisse Raumtemperatur, allein zum Schutz ihrer Instrumente“, erklärt Pfeifer.

Bei den insgesamt 28 Millionen Euro teuren Baumaßnahmen werden auch die Wandmalereien der Kirche aufgefrischt. 3.000 Quadratmeter Fensterfläche werden gereinigt und neu abgedichtet. Im letzten der insgesamt fünf Bauabschnitte werden die 18 Kapellen an den Seiten der Basilika saniert. Einige dienten bislang als Abstellräume und sollen für Besucher wieder geöffnet werden. Andere werden zu Sozialräumen und der Sakristei umgebaut.

In diesem Jahr werden die Weihnachtsgottesdienste noch wie gewohnt stattfinden, je nach Wetterlage ein letztes Mal mit Wollunterhose und Wärmflasche. Im Oktober 2026 wird die neue Heizung installiert, dann schließt die Kirche voraussichtlich für sieben Monate. „Zu Weihnachten 2026 müssen wir also kreativ werden. Aber das schaffen wir“, sagt Pfeifer.