Wie sicher ist die elektronische Patientenakte? Und wer soll die darauf gespeicherten Daten überhaupt lesen dürfen? Darüber wird vor dem Start weiter heftig diskutiert.
Unmittelbar vor dem Start der elektronischen Patientenakte (ePA) spricht der Digitalverband Bitkom von einem Meilenstein bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen warnten dagegen am Dienstag vor einem verfrühten “Roll-out” der ePA und boten Hilfe an, um Schwierigkeiten auszuräumen. Unterzeichnet haben den Offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unter anderem der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Chaos Computer Club sowie die Deutsche Aidshilfe.
Die elektronische Patientenakte soll ab Mittwoch in mehreren Modellregionen Deutschlands eingeführt werden. Ab 15. Februar sollen dann alle 73 Millionen gesetzlich Versicherten die Patientenakte erhalten – falls sie nicht widersprochen haben. Die ePA soll die bisher an verschiedenen Orten wie Praxen und Krankenhäusern abgelegten Patientendaten digital zusammentragen und ein Ende der Zettelwirtschaft im Gesundheitswesen bringen. Notfalldaten, Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde und Medikationspläne, aber auch der Impfausweis, der Mutterpass, das Untersuchungsheft für Kinder und das Zahnbonusheft können dann elektronisch archiviert und schnell abgerufen werden.
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder erklärte in Berlin, die Patientenakte sei “das Herzstück des digitalen Gesundheitssystems”. Mit ihr würden Behandlungsprozesse verbessert, und Bürokratie werde drastisch reduziert. “Die Patientinnen und Patienten werden dadurch souveräner und mündiger.” Wichtig sei jetzt, dass auch Praxen und Kliniken ihren Patientinnen und Patienten die ePA nahebrächten sowie Vertrauen und Akzeptanz aktiv stärkten.
Zivilgesellschaftliche Organisationen äußerten dagegen unter Verweis auf jüngste Tests von Hackern deutliche Zweifel an der Datensicherheit: “Die ePA enthält äußerst sensible Daten. Das System darf nicht bundesweit an den Start gehen, bevor Sicherheitslücken geschlossen und Bedenken ausgeräumt sind”, sagt Winfried Holz vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe.
Viele Menschen mit HIV, Geschlechtskrankheiten und anderen stigmatisierten Erkrankungen wollten die Vorzüge der ePA nutzen, nicht jedoch ihre Diagnosen automatisch allen medizinischen Einrichtungen mitteilen, die sie besuchten, so Holz. Informationen in der ePA zu sperren, sei jedoch unzumutbar kompliziert und erfordere viel Wissen. “So werden Diagnosen zum Beispiel nicht nur über bestimmte Dokumente erkennbar, sondern auch über die Medikationsliste und die Abrechnungsdaten in der Akte. Diese müssen daher zusätzlich und für alle beteiligten Gesundheitseinrichtungen gesperrt werden.” Es fehle eine Benutzeroberfläche, die an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientiert sei. “Hier gilt es dringend nachzubessern.”