Nach jahrelangem Streit über die Art einer staatlichen Förderung legt die Union progressiver Juden nun Verfassungsbeschwerde ein. Sie beklagt eine Ungleichbehandlung – und sieht zwei Möglichkeiten, diese zu beenden.
Mit einer Verfassungsbeschwerde will die Union progressiver Juden (UpJ) durchsetzen, dass sie wie auch der Zentralrat der Juden in Deutschland öffentliche Gelder über einen eigenen Staatsvertrag erhält. Eine Alternative wäre aus Sicht der UpJ, eine Ergänzung in den bestehenden Staatsvertrag einzufügen, die regelt, “dass und in welcher Höhe der Zentralrat der Juden einen Teil der staatlichen Mittel” an die UpJ weiterleiten muss, wie es in der Verfassungsbeschwerde heißt.
Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts bestätigte am Dienstag den Eingang der Beschwerde. Das Schriftstück liegt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor. Zuerst hatte die “Legal Tribune Online” darüber berichtet.
Die UpJ, die liberale Gemeinden vertritt, kritisiert seit Jahren eine Ungleichbehandlung. Bisher leitet der Zentralrat einen Teil der Fördergelder, die er über den Staatsvertrag bekommt, an die UpJ weiter. Im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung das Volumen des Vertrags von 13 auf 22 Millionen Euro pro Jahr erhöht.
Nach Angaben der UpJ soll diese davon 189.000 Euro für das laufende Jahr erhalten, was aus ihrer Sicht zu wenig ist. Die Gemeinden unter dem Dach des Zentralrats der Juden haben nach offiziellen Angaben rund 95.000 Mitglieder. Zur UpJ gehören nach eigenen Angaben bundesweit 19 jüdische Gemeinden mit etwa 4.000 Mitgliedern.
Den Staatsvertrag hatten Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der damalige Zentralratspräsident Paul Spiegel 2003 unterschrieben. Das Dokument sollte für mehr Rechtssicherheit und eine bessere finanzielle Unterstützung sorgen.
“Die im Zentralrat der Juden organisierten Einheitsgemeinden sind überwiegend orthodox und haben liberale Juden in der Vergangenheit ausgegrenzt”, heißt es in der Verfassungsbeschwerde. Der Zentralrat selbst sieht sich als Vertreter eines vielfältigen jüdischen Lebens. Im vergangenen Jahr hatte sich unter seinem Dach ein neuer Verband für liberale jüdische Gemeinden und Gruppierungen, der Jüdische Liberal-Egalitäre Verband (JLEV), gegründet. Hintergrund waren innerjüdische Streitigkeiten.
Sowohl der Zentralrat als auch die UpJ sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und haben damit als einzige bundesweit tätige jüdische Organisationen diesen Status. Daher möchte die UpJ als Vertreterin der liberalen Strömung ebenso wie der Zentralrat gefördert werden. Ein solcher Teilhabeanspruch folge “nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus einer Gesamtschau der religionsverfassungsrechtlichen Vorgaben”, heißt es in der Verfassungsbeschwerde. Die UpJ kritisiert insgesamt ein Abhängigkeitsverhältnis vom Zentralrat.
“Wir wollen endlich eine Klärung”, sagte die UpJ-Vorsitzende Irith Michelsohn der KNA. Weil Gespräche mit dem Bundesinnenministerium über einen neuen Passus im bestehenden Staatsvertrag bisher erfolglos geblieben seien, habe sich die UpJ nun für die Verfassungsbeschwerde entschieden. Michelsohn verwies auf Regelungen zu staatlichen Förderungen, die es bereits auf Landesebene gebe.
Der Zentralrat wollte sich auf KNA-Anfrage erst einmal nicht äußern. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte er betont, er berücksichtige alle Strömungen des Judentums “gleichermaßen und paritätisch”.
Das Bundesinnenministerium erklärte am Abend, dass ihm die Förderung jüdischen Lebens ein “besonders wichtiges Anliegen” sei. “Die finanzielle Förderung ist unter vielfältigen Förderungsmöglichkeiten ein wichtiger Aspekt”, so ein Sprecher gegenüber der KNA. Auch die UpJ werde vonseiten des Ministeriums unterstützt. “Ob die UpJ einen Anspruch auf Abschluss eines originären religionsrechtlichen Vertrages oder einen Anspruch auf Änderung des mit dem Zentralrat der Juden geschlossenen Vertrages hat, wird im Rahmen der Verfassungsbeschwerde zu klären sein.”