Erstmals unter der Leitung der neuen Präses Adelheid Ruck-Schröder hat das Kirchenparlament der Evangelischen Kirche von Westfalen am Sonntag in Bielefeld seine viertägige Herbstsynode begonnen. Im Auftaktgottesdienst rückte die Recklinghäuser Superintendentin Saskia Karpenstein die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Fokus, ein Hauptthema der viertägigen Beratungen. Ein Vertreter jüdischer Verbände beklagte in einem Grußwort antisemitische Ressentiments auch in christlichen Kreisen. Der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck dankte der evangelischen Kirche für ihre neue Friedensdenkschrift.
Der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, Zwi Rappoport, sieht das christlich-jüdische Verhältnis durch den Krieg im Nahen Osten „stark beeinträchtigt“. Seit dem Angriff der Terrororganisation der Hamas auf Israel und dem darauffolgenden Krieg im Nahen Osten würden auch die Juden in Deutschland von einer „Welle an antisemitischen und antiisraelischen Ressentiments“ überschwemmt, sagte er vor der Synode.
Rappoport kritisierte Erklärungen des Lutherischen Weltbunds, des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) und der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, in denen von israelischer „Vergeltung“ oder von „Feindseligkeiten zwischen Israel und Palästina“ gesprochen werde. Die Gräueltaten der palästinensischen Terrororganisation Hamas würden dagegen nicht genannt. Er teile „das Mitgefühl und die Trauer um die zivilen Opfer in Gaza“. Es dürfe jedoch nicht „die Verantwortung für den Ausbruch dieses schrecklichen Krieges ausgeblendet“ werden.
Nach den Worten von Ruhrbischof Overbeck sollten die Kirchen des Westens und des Ostens im Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gemeinsam für Frieden eintreten. Die Friedensdenkschrift der EKD befasse sich mit der Anwendung von Gewalt, „wenn wir sonst von anderer Gewalt übermächtigt und damit unsere Freiheit genommen würde“. Diese Gefahr halte er für „ausgesprochen real und auch nahe“. Die alten Wege der Friedenstheologie und Friedensethik müssten wesentlich neu „konturiert“ werden. Die EKD-Friedensdenkschrift räumt dem Schutz vor Gewalt, für den auch der Einsatz militärischer Mittel als „ultima ratio“ legitim sei, eine Vorrangstellung ein.
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Thorsten Latzel, warb angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen und Einnahmen für mehr Kooperation zwischen den Kirchen. Die Kirchen leisteten sich viele Parallellstrukturen, sagte er vor der westfälischen Synode. „Das sind Ressourcen, die wir schlicht nicht haben.“ Man müsse nicht eine gemeinsame Kirche werden, „wir sollten aber alles, was wir gemeinsam oder stellvertretend machen können, auch gemeinsam tun“.
Die Bielefelder Oberbürgermeisterin Christiana Bauer (CDU) sieht die Landeskirche und die Stadt Bielefeld vor ähnlichen Herausforderungen. Wenn die Synode zu Demokratie, Menschenwürde, Migration, Antisemitismus oder dem Schutz von Geflüchteten Position beziehe, habe das Gewicht, sagte sie.
Am späten Abend stellten sich zwei Kandidieren für das Amt des Theologischen Vizepräsidenten der viertgrößten deutschen Landeskirche vor: die Superintendentin des Kirchenkreises Steinfurt-Coesfeld-Borken, Susanne Falcke, und der Superintendent des Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten, Steffen Riesenberg. Der 63-jährige Amtsinhaber Ulf Schlüter steht nach Ablauf seiner achtjährigen Amtszeit aus Altersgründen nicht erneut zur Wahl, die für Dienstag geplant ist.
Die Landessynode ist das oberste Entscheidungsorgan der westfälischen Kirche, die knapp 1,9 Millionen Mitglieder hat.