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Leben, was wir glauben

Über den Predigttext zum 18. Sonntag nach Trinitatis: Jakobus 2, 14-17. 20-24

Predigttext
14 Was hilft‘s, Brüder und Schwestern, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen? 15 Wenn ein Bruder oder eine Schwester nackt ist und Mangel hat an täglicher Nahrung 16 und jemand unter euch spricht zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was hilft ihnen das? 17 So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber. (…) 20 Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist? 21 Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte? 22 Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden. 23 So ist die Schrift erfüllt, die da spricht (1.Mose 15,6): „Abraham hat Gott geglaubt und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden“, und er wurde „ein Freund Gottes“ genannt (Jesaja 41,8). 24 So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein.

Ist das noch evangelisch, was wir hier im Jakobusbrief lesen? Der Glaube ohne Werke ist tot und nutzlos. Vor Gott gilt nur der Glaube, der durch die Werke vollkommen geworden ist und nur dieser Glaube macht vor Gott gerecht. Der Anklang und der Widerspruch zu den Worten des Apostel Paulus aus dem Römerbrief ist unüberhörbar: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“ (3,28). Martin Luther nannte den Jakobusbrief aus diesem Grund eine stroherne Epistel und verbannte ihn an das Ende der neutestamentlichen Briefe, für den evangelischen Glauben eben zweitrangig, von nur geringer Bedeutung.

Doch nun ist gerade dieser Abschnitt, an dem sich Martin Luther so gerieben hat, neu vorgeschlagen als Predigttext für den 18. Sonntag nach Trinitatis. Merkwürdig. Offensichtlich hält die Liturgische Konferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland diesen Abschnitt aus dem Jakobusbrief nicht für un-evangelisch. Das muss ja einen guten Grund haben. Und tatsächlich, beim Beschäftigen mit diesem Text habe ich eine Spur gefunden, die wir als ur-evangelisch ansehen können und damit meine ich: im Sinne des Evangeliums von Jesus Christus.

Dabei ist es zunächst einmal wichtig, dass wir wahrnehmen: Die Werke, von denen Paulus und Jakobus sprechen, sind nicht dieselben Werke. Paulus spricht von Gesetzeswerken und Jakobus von den Glaubenswerken. Glaubenswerke, so führt es der Verfasser des Jakobusbriefes aus, kommen aus einem Handeln, das aus dem Glauben erwächst und Werke der Barmherzigkeit mit sich bringt. Als Beispiel nennt er einen Bruder oder eine Schwester, die nackt sind, zu kleiden und solche, die Hunger leiden, zu sättigen (2,15). Wenn der Glaube diese Werke der Barmherzigkeit nicht mit sich bringt, dann ist er tot und nutzlos.

Darin stimmt der Verfasser des Jakobusbriefes mit Paulus ganz überein. Denn für Paulus ist der Glaube an Jesus Christus immer in der Liebe tätig ist (Galater 5,6).
Auch wenn es im Detail Unterschiede zwischen Paulus und dem Verfasser des Jakobusbriefes gibt, mich überzeugt es, dass wir mit diesem neuen Predigttext darauf aufmerksam gemacht werden: Unser Glaube bringt immer ein bestimmtes Leben hervor. Mit anderen Worten: Wir leben, was wir glauben. Wenn wir glauben, im Leben bekommt keiner etwas geschenkt, dann gehen wir an einem Bettler vorbei und geben ihm nichts. Wenn wir aber davon überzeugt sind, dass wir das Wichtigste in unserem Leben geschenkt bekommen haben, dann bleiben wir stehen und geben ihm etwas.

Wenn wir glauben, wir sind das wert, was wir leisten, dann stehen wir in dem, was wir tun, immer unter dem Druck, es könnte nicht gut genug sein. Wenn wir glauben, von Gott geliebt zu sein vor allem, was wir Gutes tun und trotz allem, was wir an Bösem hervorbringen, dann sind wir gelassener in dem, was wir tun und gnädiger mit unseren eigenen Fehlern und denen anderer.

Wenn wir glauben, dass unsere Kirche steht und fällt mit dem, was wir tun, dann verfallen wir dem Aktionismus und sind enttäuscht, wenn er so wenig bringt. Wenn wir dagegen immer wieder darauf vertrauen, dass Gott seine Kirche baut mit uns, dann können wir auch schwierige Veränderungen annehmen in der Hoffnung, dass Gott uns neue Wege zeigt.

Wir leben, was wir glauben. Die ur-evangelische Botschaft unseres Predigttextes ist, innezuhalten und mich zu fragen: Was sagt mein Leben über meinen Glauben aus?