Dass Gesundheit und Pflege in der alternden Gesellschaft teurer werden, lässt sich kaum verhindern. Die Frage ist: Wer bezahlt? Werden die Kosten über die Beiträge der Versicherten oder Steuern finanziert?
Die finanzielle Lage der Pflegeversicherung ist offenbar schlechter als gedacht. Bereits im Februar drohe die Zahlungsunfähigkeit, berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland am Montag. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) warnt demgegenüber vor Panikmache. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Daten und Fakten.
Wieviel Geld gibt Deutschland für Pflege aus?
Zum Jahresende 2023 verzeichnete die gesetzliche Pflegeversicherung einen Überschuss von 1,78 Milliarden Euro. Die Einnahmen lagen bei 61,01 Milliarden Euro, die Ausgaben bei 59,23 Milliarden. Die Jahre 2022 und 2021 hatte die Pflegeversicherung jeweils mit einem Defizit abgeschlossen. Die liquiden Mittel lagen Ende 2023 bei 6,9 Milliarden Euro.
Die Prognosen für 2024 und 2025 sind weit schlechter…
Für das laufende Jahr rechnen die Pflegekassen mit einem Defizit von rund 1,5 Milliarden Euro. 2025 wird es nach den jüngsten Prognosen noch einmal drastisch auf mindestens 3,4 Milliarden Euro steigen. Dazu kommt, dass auch in der Krankenversicherung riesige Defizite und steigende Beiträge angekündigt sind. Arbeitnehmern und Arbeitgebern drohen in den kommenden Jahren stark steigende Sozialversicherungsbeiträge. Schon jetzt übersteigen sie die von der Politik selbst gesetzte Rote Linie von 40 Prozent. Bis 2035 könnten die Beiträge der verschiedenen Versicherungszweige insgesamt um 7,5 Punkte auf 48,6 Prozent steigen.
Was ist von Berichten zu halten, nach denen der Pflegeversicherung die Zahlungsunfähigkeit droht?
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtet am Montag unter Berufung auf Koalitionskreise, die Pflegeversicherung sei nach aktueller Einschätzung der Regierung bereits im Februar zahlungsunfähig, wenn nicht vorher eingegriffen werde. Das klingt aber eher nach Panikmache und politischen Spielchen, um im Wahljahr eine Beitragserhöhung zu rechtfertigen, die stärker ausfallen dürfte als gedacht. Dass die Pflegeversicherung vor kurzfristigen und in der alternden Gesellschaft auch vor strukturellen Problemen steht, ist seit Langem bekannt. Lauterbach hat mehrfach versprochen, ein langfristiges Finanzkonzept vorzulegen.
Was genau erwartet die Beitragszahler?
Die Kassen erwarten, dass die Beiträge zum Jahresende um weitere 0,2 Prozentpunkte steigen müssen. Jetzt ist davon die Rede, dass in der Regierung von einem Bedarf in Höhe von sogar 0,25 bis 0,3 Prozentpunkten ausgegangen werde. Zur Begründung wird laut Redaktionsnetzwerk darauf verwiesen, dass nach der Bundestagswahl im Herbst 2025 mit einer längeren Phase der Regierungsbildung zu rechnen sei. Deshalb müsse die Erhöhung so ausfallen, dass das Geld mindestens bis zum Frühjahr 2026 ausreiche. Bereits im Juli 2023 waren die Beiträge um 0,35 Prozentpunkte angehoben worden. Derzeit gilt in der Pflegeversicherung ein allgemeiner Beitragssatz von 3,4 Prozent. Kinderlose zahlen 4 Prozent. Für Familien mit mehr als einem Kind unter 25 Jahren gibt es Abschläge.
Was sind die Gründe für die steigenden Kosten in der Pflegeversicherung?
Zentrale Gründe sind die Alterung der Gesellschaft, aber auch Reformen der Pflegeversicherung, die seit 2017 zu mehr Leistungsempfängern führten. Bis 2055 dürfte die Zahl der Leistungsempfänger nach Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes von derzeit mehr als fünf Millionen auf mehr als sieben Millionen ansteigen. Dazu sind auch noch steigende Personalkosten gekommen; Pflegekräfte müssen nach Tarif bezahlt werden.
Welche Reformkonzepte sind denn überhaupt denkbar?
Es gibt wenige Stellschrauben: Entweder höhere Beiträge in der Pflegeversicherung, auch durch private Zusatzversicherungen, höhere Steuerzuschüsse oder mehr Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen. Seit Jahren fordern SPD und Grüne eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen – auch Beamte und Selbstständige. Union und FDP lehnen das ab. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat gerade eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenzen gestoppt und damit Gutverdiener vor höheren Beiträgen auch zur Pflegeversicherung verschont.
Die Kassen klagen immer wieder, dass die Beitragszahler versicherungsfremde Leistungen zahlen müssen…
Die Verbände der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen fordern die Bundesregierung immer wieder dazu auf, ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und Kranken- und Pflegeversicherung von den versicherungsfremden Leistungen zu entlasten. Bei der Pflegeversicherung geht es etwa um die Refinanzierung der pandemiebedingten Kosten in Höhe von 6 Milliarden Euro, auf denen die Pflegekassen sitzen geblieben sind. Außerdem hat die Bundesregierung selbst die steuerliche Gegenfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige als Ziel formuliert, da es sich hierbei um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht um eine Versicherungsleistung handele.
Und jenseits des Finanziellen?
Außerdem sind Konzepte gefordert, damit ältere und pflegebedürftige Menschen länger in ihren eigenen vier Wänden leben können – durch Unterstützung der pflegenden Angehörigen oder soziale, hauswirtschaftliche und medizinische Unterstützung in Stadtteilen und Dörfern. So gibt es beispielsweise das Berufsbild der Community Health Nurse – also von Ansprechpartnern vor Ort, die Gesundheitsfürsorge und soziale Beratung anbieten. Experten schlagen beispielsweise auch neue Wohnformen wie etwa ambulant betreute Wohngemeinschaften oder Mehrgenerationenhäuser vor. Außerdem könnten Vorbeugung und Rehabilitationsangebote dafür sorgen, dass Pflegebedürftigkeit verhindert oder aufgeschoben wird. Auch für die hoch belasteten pflegenden Angehörigen solle es Unterstützungsangebote geben.