In der Debatte über die mögliche Neuregelung des Abtreibungsverbots hat sich der frühere kurhessische Bischof und Ethiker, Martin Hein, dafür ausgesprochen, bei der gegenwärtigen Regelung zu bleiben. Die Beibehaltung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch bei gleichzeitiger Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs nach Beratung sei ein gesellschaftlicher Kompromiss, der zwar nicht allen Erwartungen gerecht werde, sich bisher aber als tragfähig erwiesen habe, sagte der evangelische Theologe auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Er berücksichtige das Lebensrecht des ungeborenen Fötus sowie der Schwangeren.
Er könne der Forderung nach einer teilweisen Erlaubnis, also der „Entpönalisierung“ von Schwangerschaftsabbrüchen, wie es der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und auch führende Theologen formuliert hatten, nicht bedingungslos folgen. „Mithilfe des Strafrechts schützt der Staat wesentliche Rechtsgüter, darunter auch das Recht auf Leben“, sagte Hein, der von 2014 bis 2018 Mitglied im Deutschen Ethikrat war.
Der Rat der EKD hatte sich Mitte Oktober für eine teilweise Neuregelung von Abtreibungen außerhalb des Strafrechts ausgesprochen und sieht die Möglichkeit einer straffreien Abtreibung nach vorheriger verpflichtender Beratung bis zur 22. Schwangerschaftswoche. Hintergrund ist eine Kommission des Bundes, die auf Wunsch der Ampel-Koalition prüfen soll, ob das Abtreibungsrecht reformiert wird. Bislang sind Abtreibungen nach Paragraf 218 Strafgesetzbuch illegal, bleiben aber unter bestimmten Bedingungen straffrei.
Dass im Rahmen kirchlicher Verlautbarungen daran gedacht werde, erst nach der 22. Schwangerschaftswoche das Strafrecht zur Geltung kommen zu lassen, überzeuge ihn nicht, sagte Hein.
Die katholische Kirche lehnt Änderungen am Abtreibungsverbot grundsätzlich ab. Auch einige ökumenische Stellungnahmen sprachen sich für eine Beibehaltung der bisherigen Regelung aus, wie etwa die gemeinsame Stellungnahme des württembergischen Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und des katholischen Stuttgarter Bischofs Gebhard Fürst.
Er schätze die öffentliche Diskussionslage so ein, dass die Vielstimmigkeit und Unterschiedlichkeit kirchlicher Verlautbarungen dazu führe, dass die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger sich das heraussuchten, was sich mit ihrer eigenen Position am ehesten vereinbaren lasse, sagte Hein.