Dass sich über Kunst trefflich streiten lässt, musste der erste Direktor der Bremer Kunsthalle, Gustav Pauli (1866-1938), im Jahre 1911, schmerzlich erleben. Der später von Historikern so genannte Bremer Künstlerstreit wogte durch die Gazetten, als Pauli entgegen großer Widerstände es wagte, das Gemälde „Mohnfeld“ von Vincent van Gogh für 30.000 Mark zu erwerben. Wortführer der Gegner war der Worpsweder Maler Carl Vinnen, der gegen eine „große Invasion französischer Kunst“ wetterte, durch die den deutschen Künstlern Unsummen entgingen. Heute gehört das Bild zu den großen Schätzen der Bremer Kunsthalle und ist eines der Höhepunkte der neuen Ausstellung „Geburtstagsgäste. Monet bis van Gogh“.
Die Ausstellung ist zum einen der Höhepunkt des 200. Jubiläumsjahres des Bremer Kunstvereins und zugleich eine Hommage an ihren ersten Direktor, sagt Kuratorin Dorothee Hansen. Zu einer Zeit, als im Deutschen Reich immer heftiger gegen den Erzfeind Frankreich Stimmung gemacht wurde, kaufte und sammelte Pauli Werke der Impressionisten der französischen Moderne – ein für die damalige Zeit geradezu unerhörtes Verhalten.
Als Pauli 1899 die Kunsthalle übernahm, fand er ein buntes Sammelsurium an Gemälden, Zeichnungen, Kupferstichen und Skulpturen vor. Das Magazin war eine Ansammlung von Schenkungen und Hinterlassenschaften ohne irgendein ein Konzept. „Erst Pauli schuf eine Sammlung mit Charakter“, sagt Hansen. Er sei ein Mann mit wissenschaftlichem Scharfsinn, einem missionarischen Bildungsgedanken und einem demokratischen Kunstverständnis gewesen, der vehement gegen Mittelmäßigkeit und Nationalismus angetreten sei.
Pauli habe es verstanden, ein Netzwerk privater Sammler und Kunstmäzenen gegen die zunehmenden konservative Angriffe zu bilden. Dazu gehörten Privatsammler aus dem lokalen Wirtschaftsbürgertum, die die internationale und moderne Ausrichtung Paulis schätzen und teilten.
Die Ausstellung mit rund 70 Werken aus der glanzvollen Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts spiegle auch den Zeitgeist jener Jahre wider, erläutert Kuratorin Hansen. Dabei spannt die Schau einen weiten Bogen: Vom Naturalismus des Bildes „Brandungswelle“ von Gustave Courbet (1819-1877) über die detaillierten Skulpturen von Auguste Rodin (1840-1917) wie „Das eherne Zeitalter“ oder „Johannes der Täufer“ bis zu Claude Monet (1840-1926) und seiner „Camille“ oder Edouard Manets (1832-1883) „Bildnis des Zacharie Astruc“. Auch Arbeiten von Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901) fehlen unter den Werken der „Geburtstagsgäste“ nicht.
Fast jedes der rund 70 ausgestellten Werke sei bereits zu Gast in der Bremer Kunsthalle gewesen. Darunter sind herausragende Leihgaben aus wichtigen deutschen Museen sowie aus New York, Washington, Amsterdam, Budapest und Winterthur.
Unter den „Geburtstagsgästen“ befindet sich auch ein Gemälde von Paul Cézanne (1839-1906). Pauli hätte gern auch ein Werk dieses Künstlers für die Kunsthalle erworben, doch habe er sich nicht bei seinem Vorstand mit der Idee durchsetzen können, berichtet Hansen. Erst vier Jahre nachdem Pauli von Bremen an die Kunsthalle in Hamburg abgeworben wurde, habe sein Nachfolger eine Arbeit Cézannes kaufen dürfen.
Paulis Jahre an der Bremer Kunsthalle waren geprägt von Widerständen, Verschwörungstheorien, Anfeindungen – aber auch von zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern. Mit ihren Geschenken und Leihgaben unterstützen sie den mutigen Direktor in seinem Anliegen, die französische Moderne beim Bremer Publikum bekannt zu machen.