Artikel teilen:

Kritik mit Augenzwinkern

Über den Predigttext für den Sonntag Estomihi: Markus 8,31-38

C. Schüßler - stock.adobe.com

Predigttext
31 Und er (Jesus) begann sie zu lehren, dass der Menschensohn viel leiden und verworfen werden muss durch die Ältesten und die Hohepriester und die Schriftgelehrten, und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen. 32 Und er sagte ihnen das Wort freimütig. Und Petrus, der ihn zur Seite genommen hatte, fing an, ihn scharf anzufahren. 33 Er aber, während er sich umwandte und seine Schüler ansah, fuhr Petrus scharf an und sagt: „Geh hinter mir her, Satan, denn du denkst nicht das von Gott, sondern das von den Menschen.“ 34 Und nachdem er die Menge mit seinen Schülern zu sich gerufen hatte, sagte er zu ihnen: „Wenn einer mir hinterher nachfolgen will, verleugne er sich selbst und nehme sein Kreuz und folge mir. 35 Wer auch immer nämlich sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben verlieren wird meinetwegen und wegen des Evangeliums, wird es retten. 36 Denn was nutzt es einem, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu erleiden an seinem Leben? 37 Denn was kann einer geben zum Tausch für sein Leben? 38 Wer auch immer sich meiner schämt und meiner Worte unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, der Menschensohn wird sich auch seiner schämen, wenn er kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.“
(Übersetzung: Gudrun Guttenberger, Das Evangelium nach Markus. ZBK NT 2, Zürich 2017)

Dieses Evangelium kann einem schon einen Schreck einjagen! Welch rauer Ton hier herrscht: Petrus herrscht Jesus an und Jesus herrscht ebenso scharf zurück. Beide Male dasselbe Wort im griechischen Text. Und genau so direkt vor unserem Text, wo Jesus seine Jünger fragt: „Für wen haltet ihr mich eigentlich?“ und Petrus antwortet: „Du bist der Christus.“ (V 29)

Alles klar, oder? Nix da! Denn Jesus „fuhr sie scharf an, damit sie mit niemandem über ihn reden“ (V 30). Was soll das? Warum sollen sie mit niemandem darüber reden? Weil Jesu Schüler noch keine Vorstellung davon haben, was das heißt und daher nur Falsches, wenn auch gut Gemeintes, verbreiten würden.

Denn Petrus glaubt zu wissen, was es mit dem Christus (griechisch), dem Messias (hebräisch), dem Gesalbten (deutsch) auf sich hat. Der steht nämlich traditionell für Gerechtigkeit und Sieg und wird nicht mit Unrecht, Leiden und Tod verbunden.

Jesus redet Klartext

Und dann sowas: Kaum hat Petrus sein Christusbekenntnis abgelegt, redet Jesus „freimütig“ davon, dass der Menschensohn leiden müsse und verworfen und getötet werde und nach drei Tagen auferstehe. Jesus macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Doch das wirft alles über den Haufen, was Petrus soeben bekannt hatte mit seinem „Du bist der Christus!“

Und so nimmt Petrus seinen Herrn und Anherrscher zur Seite und herrscht ihn an. Doch dann kommt eine wunderbare Szene, ein Wendepunkt: Jesus schaut Petrus nicht an, sondern dreht sich um zu seinen Schülern. So, im Wegschauen, nach hinten gedreht, herrscht er Petrus an: „Geh hinter mir her, Satan!“ Reih dich wieder ein zu den anderen Schülern hier.

Jesus meidet die direkte Konfrontation mit Petrus. Der wäre sonst auch vor Scham im Boden versunken: Wer möchte sich schon von seinem Herrn und Meister „Satan“ ins Gesicht sagen lassen müssen! Mit solcher Konfrontation wäre Lernen, Umdenken, Umkehr von vornherein verunmöglicht.

Heute ist Karnevalssonntag. Ich stelle mir Jesus heute daher eher als einen Karnevalisten vor denn als strengen Lehrer mit erhoben-bohrendem Zeigefinger, der immer alles richtig weiß. Auch an Karneval geschieht vielerorts solche indirekte Kritik an den Umständen, in denen wir leben. Zumeist können wir uns nur dann aus unseren Komfortzonen herausbewegen, wenn die fundamentale Kritik, die nötig ist, indirekt vorgetragen wird – und wenn die ganze Sache auch noch einen gewissen Spaßfaktor hat.

Und so stelle ich mir Jesus vor, wie er diesen Satz „Geh hinter mir her, Satan“ mit einem Augenzwinkern seinen Schülern hinter sich zuruft, so dass ein befreites Lachen möglich ist. Denn natürlich ist Petrus nicht der Satan. (Der ist im Prinzip auch gar nicht mehr gefährlich, weil dessen Tage gezählt sind.) Sondern Petrus reagiert menschlich – wo es doch hier um Gottes unergründliche Wege und Weisheit geht.

Und Gottes Weisheit durchkreuzt alles, was Menschen sich dazu denken. Sie stellt die Dinge auf den Kopf und reißt das Leben aus allen Verrechnungs- und Verwertungsmechanismen heraus: Menschliches Leben ist unbezahlbar! (V 37) Umsonst! Gott sei Dank! Dessen musst du dich nicht schämen! (V 38) Und so beruft Jesus Petrus, der kurzfristig aus der Nachfolgespur herausgefallen war, erneut – wie schon bei seiner ersten Berufung: „Los jetzt! Hinter mir her!“ (Markus 1,16) – „Du kleiner Satansbraten (Zwinkersmiley).“