Der Krieg ist angekommen in Goma, der Millionenstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Schüsse fallen, Granaten explodieren. Seit die M23-Miliz einmarschiert ist, trauen sich die Menschen nicht mehr aus dem Haus. Die Kämpfer haben den Flughafen geschlossen und den Schiffsverkehr auf dem Kivu-See bis auf weiteres verboten.
Versprengte Soldaten und Milizionäre, die mit der Armee gekämpft haben, plündern in einzelnen Vierteln der Provinzhauptstadt. Manche Militärs haben sich der Blauhelmtruppe der Vereinten Nationen ergeben, andere sind mit dem Boot über den Kivu-See in die Stadt Bukavu geflüchtet. Auch die meisten weißen Söldner aus Rumänien und Bulgarien, die aufseiten der Armee gekämpft hatten, sind in letzter Sekunde abgereist. Nun kontrolliert M23 Häuser und Hotels, ob sich dort Armeeangehörige versteckt haben.
Kongo: Kampf um Bodenschätze und Felder
Ihre jüngste Offensive in Nord-Kivu hat M23 zu Beginn des Jahres gestartet, doch der Konflikt in der an Bodenschätzen und fruchtbaren Feldern reichen Region dauert schon länger an. Das Nachbarland Ruanda unterstützt die Miliz dabei mit Waffen und Soldaten. Das hat die Chefin der Blauhelm-Mission im Kongo, Bintou Keita, in einer Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen bestätigt.
Der Krieg hat laut den UN allein seit Januar 400.000 Menschen aus ihren Dörfern vertrieben. Insgesamt lebt inzwischen fast die Hälfte der Bevölkerung von Nord-Kivu bei Gastfamilien oder in Lagern.

Eine von ihnen ist Pacifique Maombi. Sie ist vergangenes Jahr mit ihren vier Kindern und ihrem Mann vor den Bomben im Ort Sake weggerannt. Fast alles hat sie verloren: ihr Zuhause und ihren Job als Krankenschwester in einem Gesundheitszentrum. Hoffnung hat ihr zuletzt eine Sparkooperative gegeben, bestehend aus 30 Frauen, in einem Flüchtlingslager etwa zehn Kilometer von Goma entfernt.
Umgerechnet 30 Euro hatte Maombi sich geliehen, um Mehl, Hefe und Öl zu kaufen. Im Lager verkaufte sie frittierte Teigkugeln an die Bewohnerinnen und Bewohner. Den Kredit innerhalb der vorgeschriebenen drei Monate zurückzuzahlen, sei ihr schwergefallen, sagt Maombi. Aber sie hat es geschafft. Doch als die Kämpfer von M23 vorrückten, floh sie aus dem Flüchtlingslager nach Goma. Wie es nun weitergeht mit ihrem kleinen Geschäft, ist unklar.
Ursachen für Konflikt reicht in Kolonialzeit
Zuletzt unterstand die Provinz Nord-Kivu dem kongolesischen Militär. 2021 hatte die Regierung den Ausnahmezustand verhängt, um die Krise in den Griff zu bekommen. Der Konflikt hat viele Ursachen, seine Wurzeln reichen in die Kolonialzeit zurück. Die belgischen Herrscher teilten die verschiedenen Volksgruppen in der Region in Ethnien ein und hetzten sie gegeneinander auf. Die Belgier sind gegangen, die Gewalt ist geblieben. Sie gipfelte 1994 im Genozid in Ruanda. Innerhalb von drei Monaten töteten Angehörige der Hutu-Ethnie fast eine Million Tutsi.
Heute behauptet die M23, sie müsse die Tutsi im Kongo beschützen. Tatsächlich sind nach dem Genozid für die Massaker verantwortliche Täter in den Ostkongo geflüchtet und haben die FDLR-Miliz gegründet, die wie 100 andere Gruppen die Bevölkerung in der Region drangsaliert.
Ruandas autoritär regierender Präsident Paul Kagame wirft der FDLR vor, sie wolle sein Tutsi-Regime stürzen. Der Kongo bezichtigt Ruanda dagegen, das Nachbarland wolle sich die Bodenschätze des Landes unter den Nagel reißen.
M23-Miliz besetzt ganze Provinz
Genützt hat der Ausnahmezustand wenig. Die M23-Miliz besetzt nun fast die ganze Provinz Nord-Kivu und Teile der Nachbarprovinz Süd-Kivu. Doch die Militärregierung war erfinderisch, wenn es darum ging, Geld zu verdienen. Geschäftsleute erzählen, dass ständig Steuerbeamte gekommen seien und mehr Geld einforderten. „Es ist, als ob das Regime noch möglichst schnell möglichst viel abkassieren will, weil sie fürchten, die M23 wird sie bald an der Macht ablösen“, sagte ein Unternehmer, der anonym bleiben will, kurz vor dem Einmarsch in Goma.
International ist die Offensive von M23, bei der auch mehrere UN-Blauhelmsoldaten getötet wurden, scharf verurteilt worden, etwa von UN-Generalsekretär António Guterres. Doch derzeit ist es gut möglich, dass die M23-Miliz noch weiter im Osten des Kongo vorrückt und eine eigene Regierung einsetzt.