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Kosovo streitet mit Kriegsverbrecher-Gericht um Entschädigungen

Ein internationales Gericht in Den Haag ordnet Entschädigungen für Kriegsopfer in Kosovo an. Das Problem: Die Verurteilten sind pleite – und der Staat will nicht einspringen.

Wegen Entschädigungen für Kriegsopfer ist ein Streit zwischen Kosovo und einem internationalen Gericht entbrannt. Die Kosovo-Sonderkammern mit Sitz in Den Haag verlangen von der Regierung in Pristina, Opfer verurteilter Kriegsverbrecher der Kosovarischen Befreiungsarmee (UCK) zu entschädigen. Pristina lehnt dies jedoch ab, wie das Portal “Balkan Insight” (Freitag) berichtet: Die UCK-Kämpfer gelten in Kosovo 25 Jahre nach Ende des Kosovokriegs immer noch als Volkshelden. Zudem sind die Verurteilten offenbar zahlungsunfähig, was die Entschädigungsfrage kompliziert.

Das Portal verweist darauf, dass es sich bei vielen UCK-Opfern um ethnische Serben oder Vertreter der Roma-Minderheit handle. Im überwiegend albanisch bewohnten Kosovo trage Pristinas Weigerung daher besonderes politisches Gewicht. Viele Kosovo-Serben werfen der Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti politische und kulturelle Unterdrückung vor. Die Regierung betont, dass bereits ein Entschädigungsfonds für Kriegsopfer existiere – der jedoch in keiner Verbindung zu der Haager Justiz stehe.

Die Kosovo-Sonderkammern gehen auf einen Bericht des damaligen Schweizer Europarats-Abgeordneten Dick Marty aus dem Jahr 2011 zurück. Darin ist von “zahlreichen Hinweisen” die Rede, wonach UCK-Kämpfer ihre Gegner verschleppt, gefoltert und ermordet haben sollen. Die angeblichen Gräuel fanden demnach am Ende des Kosovokrieges (1998/99) statt, der wiederum das letzte Kapitel der jugoslawischen Unabhängigkeitskriege bildet. Die UCK kämpfte dabei gegen die jugoslawische Armee. Diese hatte eine blutige Kampagne gegen die albanische Bevölkerungsmehrheit gestartet.

In dieser Woche sorgte auch ein anderes Kapitel der Jugoslawienkriege international für Schlagzeilen. In einem Brief an die Nachfolgeorganisation des Jugoslawien-Tribunals in Den Haag bekundete der verurteilte Kriegsverbrecher Radislav Krstic nach 26 Jahren Haft Reue für seine Taten. Der General der serbisch-bosnischen Armee spielte eine führende Rolle bei der Ermordung muslimischer Bosniaken. Er gab – im Zuge seines Ansuchens um frühzeitige Entlassung – zu, dass seine Truppen beim Srebrenica-Massaker 1995 “Völkermord” begingen.