Ein Kind aus China oder Chile zu adoptieren, das war in Schweden jahrzehntelang nicht ungewöhnlich. Jetzt soll damit Schluss sein. Grund dafür sind zahlreiche Missstände bei Auslandsadoptionen.
Die Schweden sollen künftig keine Kinder mehr aus dem Ausland adoptieren dürfen. Das empfiehlt der am Montag in Stockholm vorgestellte Bericht der Adoptionskommission. Sie wurde im Herbst 2021 eingesetzt, weil es wiederholt Hinweise auf Unregelmäßigkeiten und Mängel bei Auslandsadoptionen gab. Schweden hatte bisher gemessen an seiner Einwohnerzahl (10,5 Millionen) die höchste Zahl an Adoptionen aus dem Ausland weltweit; rund 60.000 seit den 1960er Jahren.
Die Leiterin der Kommission, Sonderermittlerin Anna Singer, sagte am Montag vor Journalisten: “Wir können das hohe Risiko, das mit diesen Aktivitäten verbunden ist und war, nicht akzeptieren.” Das Kindswohl sei nicht immer gewährleistet worden, so Singer weiter, die auch eine öffentliche Entschuldigung des schwedischen Staates forderte.
Weiter empfahl die Kommission: Adoptierte sollten einen finanziellen Beitrag erhalten, um in ihr Ursprungsland reisen und dort nach ihren Wurzeln suchen zu können. Eine Ausnahme solle es jedoch geben: Eine Auslandsadoption soll bei einer persönlichen Beziehung zu dem Kind weiter möglich sein.
Mit einer kritischen Veröffentlichung zu Auslandsadoptionen hatte im Jahr 2021 die Tageszeitung “Dagens Nyheter” die Debatte angestoßen. Laut den Recherchen wurden bei Tausenden Kindern Informationen über Herkunft und Familie gefälscht. Auch habe sich Schweden auf Dokumente “schwacher Demokratien und Diktaturen” gestützt. Diese hatten etwa behauptet, dass die Kinder ausgesetzt worden seien. Nach den Recherchen wurden Mädchen und Jungen aber in etlichen Fällen den Eltern weggenommen und dann fälschlich für tot erklärt. Viele Kinder stammten aus China, Südkorea sowie Chile.
In der Kritik steht auch Ulf Kristersson von der Moderaten Sammlungspartei, seit 2022 Ministerpräsident. Er war laut “Dagens Nyheter” von 2003 bis 2005 ehrenamtlicher Vorsitzender des Adoptionscentrums, Schwedens größtem Adoptionsvermittler. In dieser Zeit habe die Organisation Adoptionen aus elf chinesischen Waisenhäusern vermittelt, in denen es zu Kinderhandel und der Fälschung von Dokumenten gekommen sei, so die Vorwürfe.
Nach Information der Tageszeitung “Expressen”, der Teile des Berichts vorab vorlagen, sind Auslandsadoptionen ohnehin rückgängig. 2023 kamen demnach 73 Mädchen und Jungen über Adoptionsagenturen nach Schweden, während es Anfang der 2000er Jahre jährlich noch rund tausend Kinder waren. Mehrere Länder hätten Adoptionen aus politischen Gründen eingestellt, anderswo sei der Wohlstand gestiegen. Auch entschieden sich ungewollt Kinderlose zunehmend für künstliche Befruchtung oder Leihmutterschaft.
Auch in Deutschland war die internationale Adoptionsvermittlung in den vergangenen Jahren nach Angaben des Bundesamts für Justiz deutlich rückläufig. Die Adoptionsvermittlungsstellen hätten bis Mitte März 52 Auslandsadoptionen aus 2024 gemeldet. Platz eins der Herkunftsländer belegte Thailand (18) vor Südafrika (10) und Sri Lanka (8).