Der Stadtrat von Köln hat am Dienstag während seiner Sitzung der Vertreibung von Juden aus der Stadt im 15. Jahrhundert gedacht. „Heute vor 600 Jahren endete für die nächsten 365 Jahre die Aufenthaltserlaubnis für Jüdinnen und Juden in Köln“, sagte Christiane Twiehaus von der LVR-Einrichtung „MiQua – Jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln“ laut Redetext vor Ratsmitgliedern. In Köln sei zu jener Zeit eigentlich alle zehn Jahre die Aufenthaltserlaubnis für die jüdische Gemeinde erneuert worden. Doch 1423 habe der Stadtrat beschlossen, diese nicht mehr zu verlängern.
Die Ausweisung betraf etwa 300 Menschen, wie die Wissenschaftlerin schilderte. Sie gingen nach Deutz auf die gegenüberliegende, rechte Rheinseite, in andere kurkölnische Gebiete und vor allem nach Frankfurt am Main.
Die Gründe für ihren Beschluss hätten die Kölner Ratsmitglieder erst sieben Jahre nach der Vertreibung dargelegt, erläuterte Twiehaus. Dazu zählten die befürchtete Gefahr des jüdischen Einflusses auf Christen, der Verweis auf die christliche Heiligkeit der Stadt Köln mit zahlreichen Reliquien, die Behauptung, Juden hätten durch die Vergiftung von Brunnen die Pest und andere Seuchen verursacht sowie der vergleichende Hinweis auf das Verhalten anderer Gebiete, wie Freiburg, Trier, Mainz oder Wien, aus denen zuvor ebenfalls Juden vertrieben worden waren.
„Wahrscheinlich haben noch ganz andere Gründe hier eine maßgebliche Bedeutung gespielt“, betonte die Wissenschaftlerin und verweist auf den „ewigen“ Streit zwischen Stadt und Erzbischof. Dessen Einfluss in der Stadt habe der Stadtrat mindern wollen. Darüber hinaus sei der Stadtrat mit der Vertreibung der Juden in der Lage gewesen, stadtplanerisch zu agieren und das Rathaus mit Umgebung frei zu gestalten. Diese Gründe wogen für den Stadtrat offenbar schwerer als der Vorzug einer lukrativen Geldquelle. Bislang hatten sich nämlich Stadtrat und Erzbischof die Einnahmen aus dem sogenannten Judenschutz, also aus der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, geteilt.
Mit der Ausweisung der jüdischen Gemeinde wurde das Viertel christlich, die Synagoge 1426 als Kapelle des Rates geweiht. Auf dem Fundament des Thoraschreins fand der sogenannte Altar der Stadtpatrone von Stefan Lochner Platz. Die Mikwe, das jüdische Ritualbad aus dem zwölften Jahrhundert mit 16 Metern Tiefe, wurde eine Latrine. 1798 durfte sich das erste jüdische Ehepaar wieder dauerhaft in Köln ansiedeln. Erst 1871 wurde die bürgerliche Gleichstellung mit der Gründung des deutschen Kaiserreiches erreicht. Nur gut 60 Jahre dauerte diese Zeit, bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen.