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Klug gebaut?

Über den Predigttext für den 9. Sonntag nach Trinitatis: Matthäus 7,24-27

Predigttext
24 Alle, die nun meine Worte hören und entsprechend handeln, werden einer klugen Frau, einem vernünftigen Mann ähnlich sein, die ihr Haus auf Felsen bauten. 25 Und Regen fällt herab, es kommen reißende Flüsse, Stürme wehen und überfallen dieses Haus – und es stürzt nicht ein! Denn es ist auf Felsen gegründet. 26 Alle, die nun meine Worte hören und sie nicht befolgen, werden einer unvernünftigen Frau, einem dummen Mann ähnlich sein, die ihr Haus auf Sand bauten. 27 Und Regen fällt herab, es kommen reißende Flüsse, Stürme wehen und prallen an dieses Haus – da stürzt es in einem gewaltigen Zusammenbruch ein! (Bibel in gerechter Sprache)

"Du Dummerchen" – es ist schon etwas her, dass das jemand zu mir sagte, aber es hat gesessen. Dumm sein will niemand und die Verniedlichungsform macht es nicht besser. „Du bist dumm“ beleidigt, setzt herab. Klug will der Mensch sein, und wenn schon nicht klug, dann wenigstens nicht dumm.

Große Worte, kluge Gedanken, hilfreiche Lebensregeln. Eine Rede – zusammenkomponiert aus Worten, die Jesus an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Menschen mal direkt und ein anderes Mal ganz beiläufig gesagt hat. Die Bergpredigt gehört zu den großen Reden der Weltgeschichte. Von Generationen interpretiert ähnlich wie Martin Luther Kings „I have a dream“ und neuerdings hoffentlich die Rede von Amanda Gorman „The Hill We Climb“.

Die Bergpredigt – eine große Komposition

Rhetorik ist eine Wissenschaft für sich: Der Anfang, das Zentrum und das Ende einer Rede spielen eine besondere Rolle. Die Bergpredigt Jesu beginnt mit „Selig sind die Armen“: der Türöffner für die Zuhörerinnen und Zuhörer, die angesprochen werden in ihrer sozial misslichen Situation. Im Zentrum das Gebet, das Gott liebevoll mit „Papa“ anspricht und das Herz aufgehen lässt. Und am Ende – als würde der Redner der Kraft seiner Worte nicht vertrauen – eine Drohung: „Wer nicht hört, ist dumm“. Wozu solch eine Drohung im Evangelium?

In ihrem Roman „Maria Magdalena“ erzählt Marianne Fredriksson die Lebensgeschichte dieser besonderen Freundin Jesu. Sie ist Jesus so nah wie sonst niemand und gerade deshalb kann sie ihn nicht beschreiben. Immer wieder macht sie deutlich, dass es das Unbegreifliche ist, was Jesus von Nazareth und seine Botschaft ausmacht. Petrus und Paulus verstehen sie nicht, argumentieren, dass sie die christliche Gemeinde organisieren und deshalb Verbindliches brauchen. Immer wieder wollen sie ihr Regeln entlocken, die Jesus gesagt haben soll. Aber sie kann immer nur Jesu innigsten Wunsch wiederholen: „Macht keine Gebote aus dem, was ich euch gesagt habe. Schreibt keine Gesetze nieder.“

Marianne Fredriksson beschreibt eine Diskrepanz, die viele empfinden. Petrus und Paulus wollen mit ihren Schriften und Vorschriften festhalten, wer wie dazugehört und wer nicht. Maria, Salome, Susanna, Lydia ziehen sich zurück; die von Maria Magdalena aufgeschriebenen Erlebnisse mit Jesus geraten in Vergessenheit. Die großartigen von Jesus als Lebenshilfen formulierten Auslegungen des ersten Testaments werden bei der Verschriftlichung zu Gesetzen.

Wenn Jesus kein Gesetzeslehrer sein wollte, was dann? Matthäus erzählt, dass Jesus der Sohn eines Zimmermanns ist, somit Ahnung vom Hausbau hat. Und nun wüssten wir es gern genauer: Welche Worte, lieber Jesus, sollen wir befolgen, um weder töricht zu sein noch zu scheitern? Lesen wir die Bergpredigt noch mal in aller Ruhe oder verweisen auf die komprimierte Version: „Du sollst Adonaj, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit deinem ganzen Leben und mit deinem ganzen Verstand lieben… Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Für 2021 haben Frauen aus Vanuatu einen Gottesdienst erarbeitet. Sie fragen: Worauf bauen wir? und erzählen vom blauen Meer, exotischen Fischen und Korallen, von Traumstränden, Überfluss an Früchten und freundlichen Gesichtern. Sie beklagen, dass ihre Heimat das Land ist, das weltweit am stärksten den Folgen des Klimawandels ausgesetzt ist. Verheerende Zyklone, steigender Meeresspiegel, hinzu kommt die allgegenwärtige Gewalt gegen Frauen. All das bedroht die Zukunft Einzelner und des gesamten Inselstaates. Worauf bauen sie?

„In God we stand/ mit Gott bestehen wir“ steht in ihrem Wappen. Sie beten „Wenn Gott das Haus nicht baut, mühen sich vergeblich, die daran bauen“. Damit Leben nicht scheitert, tun die Frauen etwas gegen die hausgemachten Probleme; die Weltgemeinschaft muss viel tun für den Klimaschutz.

Wie sieht eigentlich das Haus aus, das auf festen Grund gebaut werden soll? Für wen soll es sein? Wie ist das Drumherum? Mag sein, dass Jesus sich im Bauhandwerk auskannte, aber er beschreibt das Haus nicht. Er ist eben nicht der Bauherr in diesem Gleichnis. – Diese Rolle überlässt er uns. Das macht klug.