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Kirchen-Finanzchef: “Wir werden auf Aufgaben verzichten müssen”

Die bayerische evangelische Landeskirche wird künftig den Gürtel etwas enger schnallen müssen. Der Finanzchef der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB), Patrick de La Lanne, rechnet damit, dass das Kirchensteuer-Aufkommen ab 2026 sinkt. Wenn aber weniger als die aktuell 770 Millionen Euro pro Jahr über die Steuer eingenommen werden, werde man „auf Aufgaben, die Kirche im Moment noch übernimmt, verzichten müssen“, erläuterte der Oberkirchenrat dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ende November wird die Landessynode bei ihrer Tagung in Amberg über den Haushalt für 2025 beraten.

epd: Herr de La Lanne, kurz und knapp, wie ist es um die Finanzen der bayerischen Landeskirche dieses und nächstes Jahr bestellt?

de La Lanne: Wir rechnen für kommendes Jahr auf der Einnahmenseite mit 770 Millionen Euro Kirchensteuer. Das ist in etwa so viel, wie wir dieses Jahr zur Verfügung hatten. Das heißt, einen so starken Einbruch bei der Kirchensteuer, wie wir ihn 2023 erlebt haben, gibt es dieses Jahr nicht. Diese 45 Millionen, die 2023 bei den Kirchensteuern gefehlt haben, weil die Steuerschätzung deutlich nach unten korrigiert werden musste, konnten wir nur durch Sondereinsparungen auffangen. Insgesamt haben uns 2023 um die 83 Millionen Euro gefehlt, weil Löhne, Gehälter und Versorgungsverpflichtungen stark gestiegen waren – das war ein Rekorddefizit. Von solchen Entwicklungen dürften wir dieses Jahr verschont bleiben.

epd: Und welchen Umfang wird der Haushalt kommendes Jahr haben? In diesem Jahr sind es um die 950 Millionen Euro, ist das korrekt?

de La Lanne: Ja, dieses Jahr liegen die Erträge bei 953,2 Millionen Euro und Aufwendungen bei 951,9 Millionen Euro. Neben den Erträgen durch die Kirchensteuer kommen noch Erträge aus der Vermögens- und Immobilienverwaltung, aber auch Erlöse aus unserer diakonischen Arbeit und natürlich Spenden und staatliche Zuschüsse hinzu. Die Erträge aus der Kirchensteuer machen um die 80 Prozent auf der Ertragsseite aus – sie sind also nach wie vor der zentrale Pfeiler unseres Haushalts. Deshalb setze ich mich auch für den Erhalt der Kirchensteuer ein.

epd: Das klingt alles ziemlich entspannt – in den letzten ein, zwei Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, finanziell sei Feuer unterm Kirchendach…

de La Lanne: Um es ganz klar zu sagen: die Lage ist ernst. Die 770 Millionen Euro an Kirchensteuer-Erträgen, mit denen wir dieses und auch kommendes Jahr planen, werden mittelfristig nicht mehr zu halten sein. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen natürlich die Austritte, die uns auch auf der finanziellen Seite zusetzen. Die sind nur bisher nicht so sehr ins Gewicht gefallen, weil meist eher junge Menschen ausgetreten sind, die ohnehin noch keine Kirchensteuer bezahlt haben. Zum anderen wird sich die angespannte wirtschaftliche Lage auf die Kirchensteuereinnahmen auswirken. Die bislang gute Konjunktur hat verhindert, dass sich die sinkende Mitgliederzahl auch finanziell stärker bemerkbar macht.

epd: Und wie wollen Sie das künftig kompensieren? Reicht da das gefasste Einsparziel von 189 Millionen Euro bis zum Jahr 2030 oder muss noch mehr gespart werden?

de La Lanne: Ich denke, wir kommen ab 2026 mit dem bisherigen System nicht mehr weiter. Damit meine ich: Wenn’s mal finanziell nicht so gut läuft, dann spart man halt noch mal mit kleineren Kürzungen ein. Das wird künftig nicht mehr ausreichen. Wir müssen jetzt endlich auf ein System der strategischen Finanzplanung umsteigen. Und das heißt: Wir werden auf Aufgaben, die Kirche im Moment noch übernimmt, verzichten müssen. Das wird ein sehr schmerzlicher Prozess werden, der auch viel Mut verlangt.

epd: Stichwort Reformprozess „Profil und Konzentration“: Es sollten schon vor Jahren Prioritäten und auch Posterioritäten gesetzt werden, wie zufrieden sind Sie mit dem bisher erreichten?

de La Lanne: Beim Priorisieren sind wir ziemlich gut; das macht ja auch Spaß, wenn man Schwerpunkte setzt. Wir könnten bei dem Thema schon weiter sein – und wenn man selbstkritisch zurückblickt, hätten wir vor drei Jahren, vielleicht auch sogar schon 2017 anfangen müssen, neben den Prioritäten auch klare Posterioritäten zu benennen. Aber in der Kirche dauert manches eben ein bisschen länger als in anderen Bereichen, weil es eben viel Gesprächs- und Abstimmungsbedarf gibt.

epd: Anders gefragt: Was, wenn es in der Landessynode keine Mehrheiten für Einsparungen durch klare Posterioritätensetzung gibt? Wann ist der Punkt erreicht, an dem der Finanzchef auf den Tisch haut?

de La Lanne: Meine Lebenserfahrung ist, dass man mit Verbindlichkeit und Höflichkeit weiterkommt als mit auf-den-Tisch-Hauen. Ich meine das wirklich: Nur wenn wir gemeinsam versuchen, Lösungen zu finden, kann das klappen. Auch im vergangenen Jahr gab es bei den nötigen Einsparmaßnahmen unterschiedliche Auffassungen zwischen Landeskirchenrat und Landessynodalausschuss – nur weil wir gemeinsam verhandelt haben, die Synodalpräsidentin, der Landesbischof, der Vorsitzende des Finanzausschusses und der Landeskirchenrat, haben wir doch noch eine gute Lösung gefunden. Deshalb werde ich weiter höflich und verbindlich und in der Sache konsequent bleiben.

epd: Wie sieht es beim bilanziellen Fehlbetrag der Landeskirche aus. Ihr Ziel war, den virtuellen Schuldenberg für die Pensionsverpflichtungen der Pfarrerinnen und Pfarrer abzuschmelzen. Hat das geklappt?

de La Lanne: Wir hatten im Jahr 2020 einen bilanziellen Fehlbetrag von 674 Millionen Euro. Im Jahr 2021 lagen wir bei 575 Millionen Euro. Angesichts des Rekorddefizits im Jahr 2023 und dem Ansparfonds ist der bilanzielle Fehlbetrag noch einmal um weitere 111 Millionen angestiegen. Mit dem Ansparfonds wollen wir vor allem Klimaschutzmaßnahmen finanzieren. Der bilanzielle Fehlbetrag liegt nun bei 686 Millionen Euro. Wir haben uns aber auf der letzten Herbstsynode in Amberg auf den Begriff der „Neuen Null“ geeinigt, der bei 575 Millionen Euro liegt. Wir verfügen über ausreichende „stille Reserven“, die wir als Kirche haben – also Wertsteigerungen bei Immobilien oder anderen Vermögenswerten. Diese werden den kirchenleitenden Gremien nachrichtlich mitgeteilt. 2024 und 2025 müssen wir weitere Einsparungen realisieren, um die „Neue Null“ wieder zu erreichen.

epd: Sie haben vorhin gesagt, es müsse jetzt im Sinne einer strategischen Finanzplanung umgedacht werden. Wo könnte denn überhaupt nennenswert gespart werden?

de La Lanne: Als Finanzchef der Landeskirche werde ich den Theologen und Theologinnen, Fachleuten oder Synodalen sicher keine Vorschläge machen, wo sie ihre Schwerpunkte setzen sollen und wo konkret gespart werden muss. Das steht mir nicht zu. Aber der Haushalt der Landeskirche umfasst 30.000 Haushaltsstellen auf rund 600 Seiten. Man müsste schon sehr naiv sein, wenn man behaupten würde, dass es da kein Sparpotential gäbe. Am Ende ergeben ja auch viele kleine Haushaltsposten eine größere Summe, die uns weiterbringt. Aber, da haben Sie schon recht, wir müssen auch an die größeren Kostenblöcke ran. Der Landeskirchenrat und der Landessynodalausschuss haben, wie zuvor erwähnt, erste Schwerpunkte im Entwurf erarbeitet. Der nächste Schritt muss jetzt sein, daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen und Aufgaben wegfallen zu lassen.

epd: Sie meinen so wie bei den Tagungshäusern? Bislang ist aber nur beim Wildbad Rothenburg eine auch finanziell wirksame Entscheidung gefällt worden, oder?

de La Lanne: Erlauben Sie mir eine Vorbemerkung: Ich finde es wirklich toll, dass für das Wildbad eine so gute Lösung gefunden wurde. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behalten ihre Jobs, der Betrieb geht weiter, die Landeskirche darf weiterhin dort Gast sein. Diese Entwicklung dort ist ein Zeichen auch an die anderen Tagungshäuser der Landeskirche, dass es Alternativen geben kann. Bislang gibt es nur eine Entscheidung zum Wildbad Rothenburg – und dabei alleine wird es nicht bleiben können. Denn aus haushalterischer Sicht ist die Auslastung, die Einnahmeseite vielerorts nicht ausreichend.

epd: Kurzer Blick in die Zukunft: Es gibt Stimmen, die würden die Kirchen- gerne in eine Kultursteuer wie in Italien oder Spanien umwandeln – oder auch eine Art günstige „Kirchenmitgliedschaft light“ einführen…

de La Lanne: Zunächst muss es das Ziel sein, die Kirche weiter auskömmlich zu finanzieren. Ohne diese Gelder könnten wir das Gros unserer diakonischen Aufgaben wie beispielsweise den Betrieb von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen oder Schulen und Kindergärten nicht in der bisherigen Form und nicht im bisherigen Umfang aufrechterhalten. Ich denke, das wäre für die Gesellschaft insgesamt, also auch für alle Nicht-Christen, ein großer Verlust. Deshalb setze ich mich für den Erhalt der Kirchensteuer ein.

epd: Aber bei einer Kultursteuer würden die Kirchen doch nicht leer ausgehen?

de La Lanne: Nein, das nicht. Aber wenn wir Spanien oder auch Italien anschauen, dann fiele mit Blick auf unser bisheriges System etwa die Hälfte der Kirchensteuereinnahmen weg. Damit können wir aber nicht mehr unsere diakonischen und sozialen Aufgaben wahrnehmen. Ich spreche mich also ganz klar für den Erhalt der Kirchensteuer aus. Reformvorschläge, die darauf abzielen die Kirchensteuer zu verbessern, sollten wir gemeinsam erörtern. Gespräche aufseiten der evangelischen Finanzchefs und zusammen mit den katholischen Kollegen müssen geführt werden, damit wir einen abgestimmten Vorschlag der beiden Kirchen erarbeiten können. Noch einmal, bis dahin müssen wir uns für den Erhalt der Kirchensteuer einsetzen, und zwar auf allen Ebenen. Denn nur so können wir unsere Aufgaben wahrnehmen. Ich plädiere stark dafür, das bisherige System zum Wohle unseres gesamten Sozialstaates zu erhalten. (00/3328/22.11.2024)