Opferschutzverbände in Schleswig-Holstein weisen darauf hin, dass Eltern, Betreuerinnen und Erzieher auch psychisch Gewalt auf Kinder ausüben können. „Das Recht auf gewaltfreie Erziehung verbinden immer noch zu viele mit dem Verzicht auf körperliche Strafen“, sagte Irene Johns vom Kinderschutzbund Schleswig-Holstein am Montag in Kiel anlässlich des Tags der gewaltfreien Erziehung am 30. April. Psychische Gewalt wie das Ignorieren, Bloßstellen und Demütigen könnten Kinder genauso schädigen.
Dem Opferhilfeverein Weißer Ring in Schleswig-Holstein zufolge erfahren nicht nur Frauen, sondern auch Kinder häusliche Gewalt, sowohl physisch als auch psychisch. Erst mit dem neuen Opferentschädigungsgesetz vom 1. Januar 2024 werde psychische Gewalt als entschädigungsfähig anerkannt und der physischen Gewalt gleichgestellt, hieß es. „Jetzt gilt es, diese Neuregelung so umzusetzen, dass sie Kindern ebenso wie Erwachsenen schnell zugutekommt“, erklärte die Landesvorsitzende Manuela Söller-Winkler.
Der Verein ehemaliger Heimkinder in Schleswig-Holstein fordert zudem eine leicht zugängliche Opferentschädigung für Kinder, die in Heimen Gewalt wie Schläge, Missbrauch oder Medikamentenversuche erfahren haben. „Egal ob körperliche oder auch psychische Gewalt: Der Schaden für die Betroffenen ist irreparabel“, erklärte der Vereinsvorsitzende Franz Wagle, der eigenen Angaben zufolge selbst Gewalt in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen erfuhr.
In Schleswig-Holstein seien seit 2014 von 75 Anträgen auf Opferentschädigung nur sechs Anträge bewilligt worden. Diese niedrige Anerkennungsquote sei mit Blick auf die hohe Zahl von brutaler und sexualisierter Gewalt betroffenen Heimkindern nicht plausibel. „Hier muss dringend nachgesteuert werden“, so der Vereinsvorsitzende.
In den 1950-er bis 1970-er Jahren sollen bundesweit Tausende Kinder in staatlichen und kirchlichen Heimen misshandelt worden sein. An ihnen wurden etwa ohne Zustimmung medizinische Experimente durchgeführt worden. Oftmals wurden sie überzogen diszipliniert und medikamentös ruhig gestellt.