Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sieht die Kindergrundsicherung als Einstieg zur Bekämpfung von struktureller Kinderarmut in Deutschland. Zwar habe auch sie sich noch höhere Leistungen vorstellen können, sagte Paus am Mittwoch im „Morgenmagazin“ der ARD. Sie würdigte das Gesetzesvorhaben indes als „Systemwechsel“. Künftig würden alle Kinder über den geplanten Familienservice erreicht.
Am Vormittag will die Bundesregierung die Kindergrundsicherung auf den Weg bringen. Nach monatelangen Auseinandersetzungen zwischen Familienministerin Paus und Finanzminister Christian Lindner (FDP) um die Finanzierung soll der Gesetzentwurf vom Kabinett in Berlin beschlossen werden. Damit ist der Weg frei für die Beratung der seit langem größten Reform der Familienleistungen im Bundestag und im Bundesrat.
Paus wies die Bedenken von Kommunen zurück, die eine bürokratische Überforderung befürchten. Die Familienkassen sollen ihren Worten zufolge zu einem Familienservice ausgebaut werden, das entlaste die Kommunen. Künftig könnten sich die Jobcenter ganz auf die Bürgergeld-Bezieher und deren Vermittlung in Arbeit konzentrieren. „Das Thema Familie, das gehört zum Familienservice, die Jobcenter sollen sich darum kümmern, dass die Menschen in Jobs kommen“, sagte die Grünen-Politikerin.
In der Kindergrundsicherung sollen von 2025 an das Kindergeld (Garantiebetrag), der Kinderzuschlag für Familien mit geringen Einkommen und die Leistungen des Bürgergelds für Kinder (Zusatzbetrag) zusammengefasst werden. Der Zusatzbetrag soll leichter zu beantragen sein als die heutigen Einzelleistungen.
Für das Einführungsjahr 2025 stehen 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung, davon 500 Millionen für den Umbau der Verwaltung. Der Betrag soll dem Gesetzentwurf zufolge bis zum Jahr 2028 steigen auf jährliche Ausgaben von rund 5,2 Milliarden Euro für den Bund und etwa eine Milliarde Euro für Länder und Gemeinden. Nach Angaben von Paus sollen rund 5,6 Millionen Kinder erreicht werden, davon 1,9 Millionen, die heute mit ihren Eltern Bürgergeld beziehen.
Kinder von Asylbewerberinnen und -bewerbern werden nicht einbezogen. Mehrere Organisationen kritisierten das. Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verbiete eine Diskriminierung von Kindern aufgrund von Herkunft und Aufenthaltsstatus, argumentieren sie.
Alle Kinder hätten dieselben Rechte, etwa auf gesundes Aufwachsen, soziale Teilhabe und die Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums, heißt es in dem Aufruf der GEW und weiterer Organisationen, darunter die Arbeiterwohlfahrt, die Diakonie, der Paritätische Gesamtverband und das Deutsche Kinderhilfswerk. Die Vizepräsidentin des Kinderhilfswerks, Anne Lütkes, sagte, geflüchtete Kinder seien in erster Linie Kinder und bräuchten von Anfang an eine Zukunftsperspektive. Dazu gehöre, dass sie bei der Kindergrundsicherung nicht schlechter behandelt würden als andere Kinder.