Im fünften und vermutlich letzten Teil der Abenteuer-Reihe lässt es sich aller Tricktechnik zum Trotz nicht leugnen: Indiana Jones schlägt nicht mehr so zu, wie er es noch in den 1980er-Jahren tat. Harrison Ford, der zum Kinostart im vergangenen Jahr bereits auf seinen 81. Geburtstag zusteuerte, konnte in der Gestik nicht verstecken, was sein digitales Gesicht im Laufe des Films verschleierte: das Alter. Mithilfe mehrerer Technologien und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) war es den Filmemachern möglich, Fords Gesicht für die verschiedenen Epochen der Handlung zu verjüngen. Es war somit zwar nicht mehr der schlagkräftige Körper auf der Leinwand zu sehen – sehr wohl aber das berühmt-verschmitzte Lächeln früherer Abenteuer.
So wie fast überall wird KI auch in der Filmbranche stark diskutiert. Vergangenes Jahr streikten in den USA zum ersten Mal seit 1960 Drehbuchautoren und Schauspieler gleichzeitig über mehrere Monate lang – auch wegen der befürchteten Auswirkungen von KI.
Denn die Möglichkeiten gehen weit über das Verjüngen älter gewordener Gesichter hinaus: Auf Knopfdruck liefern Programme wie ChatGPT ganze Drehbücher, auch das Erstellen von Filmplakaten oder Bewegtbild-Szenen ist mit der entsprechenden Software möglich. Und bei Volucap im Studio Babelsberg in Potsdam steht die „weltweit modernste“ Scannerei für Schauspieler, wie die Arte-Dokumentation „KI: Maschinenträume im Film“ erklärt und das Unternehmen auf Anfrage bestätigt. Dort werden aus Personen digitale 3D-Modelle, die dann beliebig als Statisten in Filmen eingesetzt werden können.
„Unsere Erwartung ist, dass KI die Branche nachhaltig beeinflussen wird“, sagt Till Völger, Vorstandsmitglied der Schauspielgewerkschaft BFFS. Ihn sorgt, dass die Auftragslage etwa durch die Verwendung von digitalen Statisten leiden könnte. Problematisch sei vor allemder Synchronbereich, da KI den Stimmenklau einfach möglich macht. Aber: „Der Scan kann nicht leisten, was ein Schauspieler leisten kann. Und auch wenn ich echte Emotionen in der Sprache will, brauche ich dafür immer noch einen Menschen“, sagt Völger. Dem Zuschauer gehe beim Sprung auf KI ein künstlerisches Erlebnis verloren – „wenn er es denn merkt“.
Diese Gefahr sieht auch Filmemacher Christian Alvart („Oderbruch“): „Kreativität hat für mich immer damit zu tun, dass man ein menschliches Leben lebt, menschliche Erfahrungen macht und darüber mit seiner Umwelt kommuniziert. Egal in welcher Kunstform“, sagt Alvart. KI hingegen setze nur immer wieder neu zusammen, was es schon einmal gegeben habe.
„Es gab große gesellschaftliche Entwicklungen wie die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe, die das Fernsehen vorweggenommen hat“, erklärt der Filmemacher. „Künstler kommunizieren mit der Gesellschaft, halten ihr den Spiegel vor und bringen eigene Überzeugungen ein – das macht die KI nicht.“
Um Entscheidungen, die Drehbuchautorinnen und -Autoren über einem weißen Blatt Papier träfen, werde über Wochen gerungen. Die KI könne innerhalb von Sekunden Neues erschaffen. „Das nagt am Kern und dem Selbstbewusstsein eines Künstlers“, gesteht er ein.
Noch scheitere ChatGPT allerdings an größeren Textmengen. „Sobald man längere Drehbücher schreiben will, verliert es den Überblick und generiert Quatsch“, sagt Alvart. Er sehe aber auch, dass etwa Kinderserien und Werbeclips aufgrund überschaubarer Strukturen schon komplett mit KI umgesetzt werden könnten. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sich durchsetze, womit Geld gespart werden könne. Das ist für Kreative existenzgefährdend.
„Es gab früher auch jemanden, der die Gaslampen auf der Straße gelöscht hat“, räumt der Filmemacher bezogen auf den technischen Fortschritt ein. Doch das künstlerische Schaffen sei etwas, „womit der Mensch seinen Platz im Universum widerspiegelt. Mich als Zuschauer und Künstler würde es mit einer großen Traurigkeit erfüllen, das an Maschinen abzugeben“, sagt Alvart. Doch wenn „das Geld drückt oder das Publikum nicht mehr zwischen KI-generierter und von Menschen gemachten Produktionen unterscheiden kann, ist die Gefahr ganz real, dass wir dieses Rennen verlieren.“
Die Filmemacherin und Philosophin Christine Reeh-Peters ist weniger pessimistisch. Sie hält es für problematisch, die „Dinge immer am Menschen zu messen“. Die KI sei nichts Feindseliges, sondern leidenschaftslos – vor allem ein Werkzeug. „Natürlich gibt die Software ihren Teil dazu“, sagt die Philosophin: „Aber ich kann bestimmen, was ich damit mache.“ Es stelle sich nicht die Frage, ob KI auch Kunst schaffe, sondern welche Art von Kunst aus der Zusammenarbeit mit dem Menschen entstehe. „Je intelligenter die Nutzerin oder der Nutzer, desto intelligenter sind auch die Antworten, die man sich beispielsweise aus ChatGPT holen kann“, erklärt Reeh-Peters.