Werden Kinofilme bald einfach automatisch erstellt, ohne dass es Menschen gibt, die ihr künstlerisches Können einbringen? Solche Ängste gehen seit einiger Zeit in der Filmbranche um, befeuert durch immer neue Entwicklungen wie zuletzt die Vorstellung des neuen Videogenerierungs-Tools Sora 2 von OpenAI.
Doch während sich auf Social-Media-Plattformen wie Instagram und TikTok bereits massenweise Kurzvideos finden, die von KI generiert wurden, ist die automatische Herstellung von Spielfilmen noch ein ganzes Stück entfernt. Expertin Nira Bozkurt, die seit September als „KI-Officer“ an der Filmakademie Baden-Württemberg (Ludwigsburg) arbeitet und angehende Filmschaffende fit machen will für den Umgang mit KI, sagt: Die KI-Tools seien noch viel zu limitiert, um über größere Strecken konsistente Geschichten und Figuren zu entwickeln.
Längere KI-Filme sind zurzeit noch selten und eher dem Bereich Experimentalfilm zuzuordnen, wie zum Beispiel der chinesische Film „What’s Next?“, der dieses Jahr in einer Nebensektion der Berlinale gezeigt wurde. Bei klassisch fiktionalen Spielfilmen und Serien kann KI aber für einzelne Elemente und Arbeitsschritte wie die Erstellung von Spezialeffekten und die Arbeit in der Post-Produktion eingesetzt werden. Nira Bozkurt beschreibt KI-Programme als neue technische Hilfen, genauso wie CGI, die Erstellung computergenerierter Bilder, oder digitale Schnittprogramme.
Für die Marvel-Serie „Secret Invasion“ beispielsweise wurde ein Vorspann mit KI-Animationen erstellt. In der Netflix-Serie „Eternauta“ war der Einsturz eines Gebäudes eine KI-generierte Szene, und für „Dune Part Two“ soll ein KI-Programm geholfen haben, die für die Figuren typischen blauen Augen zu gestalten. Vor der diesjährigen Oscar-Verleihung wurde außerdem bekannt, dass bei den nominierten Filmen „Emilia Pérez“ und „Der Brutalist“ KI-Tools zur Soundbearbeitung zum Einsatz kamen. Beim Musicaldrama „Emilia Pérez“ wurde so der Stimmumfang von Hauptdarstellerin Karla Sofia Gascon erweitert. In „Der Brutalist“ ist bei den Szenen, in denen Adrien Brody und Felicity Jones Ungarisch sprechen, nachträglich die Aussprache verbessert worden.
Aber auch solche einzelne Nutzungen von KI haben unter Umständen massive Folgen für die Filmindustrie. Für die Menschen, die in den künstlerischen Gewerken wie Szenenbild, Schnitt oder Animation tätig sind, kann der Einsatz von KI eine Hilfe sein, sie kann aber auch den Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten. Zudem stellt sich die Frage nach der künstlerischen Qualität – und wie ein solcher Einsatz bei der Beurteilung für Film-Preise zu berücksichtigen ist.
#Tom Hanks und Robin Wright älter und jünger gemacht
Nira Bozkurt plädiert dennoch dafür, technologieoffen zu sein. Denn KI-Tools seien auch eine große Chance für unabhängige Filmschaffende, denen neue technische Möglichkeiten zur Verfügung stünden. Tatsächlich berichtet etwa Regisseur Robert Zemeckis, dass sein Film „Here“ ohne KI nicht möglich gewesen wäre. Für den Film wurden die Darsteller Tom Hanks und Robin Wright digital verjüngt und älter gemacht. Da die bisherigen Programme für eine solche Bearbeitung das Budget gesprengt hätten, wurde hierfür auf KI-Tools zurückgegriffen. Über das Ergebnis lässt sich jedoch streiten, die Kritiken zum Film fielen gemischt bis negativ aus.
Viele Filmschaffende müssen ihre Haltung zum Thema KI erst noch entwickeln. Nira Bozkurt kann sich aber durchaus vorstellen, dass KI zukünftig zu einem festen Arbeitswerkzeug beim Filmemachen wird, neben den filmischen Grundfertigkeiten, die nach wie vor unerlässlich seien. Wichtig sei es, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und gesetzliche Regelungen für Urheberrecht und Datenschutz zu finden. Vor allem aber, betont sie: „Alle, die KI nutzen, müssen das transparent kommunizieren.“
Zudem müsse man die Ergebnisse kritisch reflektieren. Schließlich könne es stets sein, dass automatisch generierte Bilder oder Drehbuchentwürfe Stereotype reproduzierten. Gerade deshalb sei es aber wichtig, dass zukünftige Filmschaffende wüssten, wie KI-Tools funktionieren. Die Studierenden der Filmakademie will sie ermutigen, zu experimentieren und die vorhandenen KI-Tools kennenzulernen. „Sie müssen sich bewusst machen, womit sie es zu tun haben. Damit sie selbst entscheiden können: Gehen sie das ethisch an, gehen sie das rechtlich an – was möchten sie damit tun?“ (2970/20.11.2025)