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Kernbegriff des antiken Mesopotamien entschlüsselt

Göttinger Forscher haben einen zentralen Begriff der frühesten Schriftkultur der Welt entschlüsselt. „Wir wissen jetzt, dass der Kernbegriff der sumerischen und babylonischen Hochkultur ‘Ritual’ bedeutet“, sagte die Altorientalistin Annette Zgoll von der Universität Göttingen am Freitag. Laut Mitteilung der Hochschule stellen die Erkenntnisse das Wissen um die Hochkultur der Keilschrift-Erfinder um 3.500 v. Chr. in Mesopotamien auf eine neue Basis. Die Keilschrift gilt neben den ägyptischen Hieroglyphen als die älteste bekannte Schrift.

Bislang fremde Vorstellungen von Ritualen in Sumer, Babylonien und Assyrien aus drei Jahrtausenden würden durch die Forschungsergebnisse erhellt, hieß es. „Warum die mächtigste Göttin Innana in die Unterwelt geht und zeitweilig stirbt? Für Rituale“, erläuterte die Professorin. „Wie ein Monster dem höchsten Staatsgott die Macht raubt? Durch eine Ritualtafel. Warum Gilgamesch aus mesopotamischer Sicht doch nicht scheitert? Durch Einweihung in geheime Rituale.“

Rituale waren nach damaligem Verständnis von Gottheiten erschaffen oder aus kosmischen Räumen errungen, wie Zgoll ausführte. „Nichts kann ohne Rituale funktionieren: Rituale sind stärkste Macht und umstrittenster Besitz von Göttern. Die Menschheit wird zur Durchführung der Rituale für die Götter erschaffen.“ Anstelle des heutigen Paradigmas vom genauen Messen auf Basis der objektiven Zahl stehe in der mesopotamischen Kultur das Paradigma des genauen Rituals auf Basis des wirkmächtigen Wortes.

Aus den Erkenntnissen ergeben sich den Angaben zufolge auch neue Perspektiven auf biblische Quellen und Konsequenzen für die religionswissenschaftliche Grundlagenforschung. Die Ergebnisse wurden in der Reihe „Göttinger Beiträge zum Alten Orient“ im Universitätsverlag Göttingen veröffentlicht.