Katerstimmung nach der Absage: Nachdem eine Podiumsdiskussion zum Palästina-Konflikt in der evangelischen Stadtakademie vom Dekanat kurzfristig abgesagt wurde, herrscht bei allen Beteiligten Ernüchterung. Akademie-Leiterin Barbara Hepp erklärte am Mittwoch auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), dass sie „geordnete Diskursräume mit klarer Moderation“ für nötig halte, um in der aufgeheizten Debatte um den Nahost-Konflikt voranzukommen. „Nur weil wir Meinungen, die wir nicht teilen, totschweigen, verschwinden sie nicht“, sagte die Theologin. Stattdessen würden sich solche Ansichten unwidersprochen über die Sozialen Medien verbreiten.
Eine für den vergangenen Dienstag (15.10.) geplante öffentliche Debatte mit Fuad Hamdan, einem Münchner Palästina-Aktivisten, und Gady Gronich, dem Geschäftsführer der Europäischen Rabbinerkonferenz in München, war am Montag kurzfristig vom Dekanat München abgesagt worden. Als Grund wurden Posts von Hamdan genannt, in denen er den israelischen Ministerpräsidenten mit Adolf Hitler und den Krieg in Gaza mit dem Holocaust vergleicht. Kooperationspartner der Veranstaltung „Vergiftete Debatte, versperrte Wege“ war die Gesellschaft „Freunde Abrahams“ für interreligiösen Dialog.
Deren Vorsitzender, der Ägyptologe und Religionswissenschaftler Stefan Jakob Wimmer, hält die Absage trotz der Vorwürfe gegen Hamdan für falsch. Es sei darum gegangen, Positionen, die auch er persönlich ablehne, zu diskutieren: „Diese Meinungen gibt es und sie werden von einem erheblichen Teil der Bevölkerung vertreten“, sagte Wimmer dem epd. Debatten zu verbieten, sei „verheerend“, weil sich dadurch eine Blase bilde, in der der Druck zunehme. Allerdings fehlten in München Orte und Formate, um solche Debatten zu führen. Naiv sei dabei nicht die offene Diskussion, sondern der Versuch, „alles zu verbieten, was jemand denkt“.
Stadtdekan Bernhard Liess wiederum erklärte gegenüber dem epd, dass für Veranstaltungen in Räumen der evangelischen Kirche bestimmte Maßstäbe gelten müssten. Beim Thema Israel und Palästina gehöre dazu, dass die Teilnehmer das Existenzrecht Israels anerkennen und den Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 durch die Hamas verurteilen. Wer wie Fuad Hamdan in den Sozialen Medien behaupte, weibliche israelische Geiseln seien von der Hamas wie Königinnen behandelt worden, disqualifiziere sich als Gesprächspartner selbst. „Es gibt Grenzüberschreitungen, die nicht in evangelischen Räumen geäußert werden dürfen“, so Liess.
Zugleich betonte der Stadtdekan, dass es „unbedingt Plattformen für palästinensische und israelische Stimmen“ brauche. Es sei eine Tragödie, dass die Anliegen des palästinensischen Volks derzeit nicht ausreichend zu Gehör kämen. Wenn jedoch in öffentlichen Debatten oder bei Demonstrationen antisemitisch gehetzt würde, „fügt das den berechtigten Interessen der Palästinenser mehr Schaden zu, als dass es nützt“.
Enttäuscht von der Absage zeigte sich Gady Gronich, Geschäftsführer der Europäischen Rabbinerkonferenz in München. „Es wäre wichtig gewesen, ein solches Gespräch zu führen, damit die Meinung von Herrn Hamdan und eindeutig einseitige Nahost-Narrative nicht unwidersprochen bleiben“, sagte Gronich auf epd-Anfrage. Für ein Leben in Frieden und Sicherheit – ob in Deutschland oder im Nahen Osten – brauche es Gesprächsfäden, um „verhärtete Gegensätze zu überwinden“. Übereinander statt miteinander zu reden, sei eine gefährliche Entwicklung für die Demokratie. Der Münchner Palästina-Aktivist Fuad Hamdan bezeichnete die Absage der Veranstaltung in der Süddeutschen Zeitung als „undemokratisch“.
Für Akademie-Leiterin Barbara Hepp ist klar, dass die Stadtakademie am Nahost-Thema, das fester Bestandteil des Programms sei und gut nachgefragt werde, dranbleibe. Auf welche Weise die Diskussion darüber vorankommt, darüber gebe es jedoch offensichtlich „sehr unterschiedliche Meinungen“. (00/3081/16.10.2024)