Religion, Kirche, Karneval: Während in Köln ein Motivwagen Empörung auslöst, bekennen sich Redner wie Guido Cantz und Marc Metzger offen zum Katholizismus. Wie schaffen die beiden den Spagat zwischen Kritik und Glaube?
Im Kölner Karneval sorgt ein Motivwagen des Rosenmontagszuges zum Thema Missbrauch für heftige Kontroversen. Er zeigt einen Beichtstuhl, auf dem in roten Lettern der Schriftzug “Jesus liebt dich” prangt. Aus dem Beichtstuhl ragt ein Arm eines Geistlichen, der mit gekrümmtem Zeigefinger einen davor stehenden Messdiener zu sich locken will. Kirche und Politik protestieren. Der Tenor: Nichts sei mehr heilig.
Aber auch ganz unabhängig von aktuellen Bezügen – Kirche und Karneval haben schon immer eine sehr spezielle Beziehung. Und auch in den Sitzungen spielen die katholischen Wurzeln des rheinischen Frohsinns immer wieder eine prominente Rolle – so auch bei der ARD-Fernsehsitzung, die am Rosenmontag zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. Dabei kommen explizite Bezüge zum “leeve Jott” (lieben Gott) nicht nur in den Liedern von Karnevalsbands wie Brings und Co vor.
Bei der Aufzeichnung der Sitzung traten gleich zwei der prominentesten Redner auf die Bühne und bekannten: “Ich bin gerne katholisch”. Einer von ihnen ist Fernsehmoderator und Büttenredner Guido Cantz. Er absolviert mehrere hundert Auftritte zwischen Januar und Aschermittwoch. In diesem Jahr immer dabei: sein Bekenntnis zum Katholizismus. “Ich möchte ein Zeichen setzen”, sagt er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Praktizierender Katholik zu sein, sei heute fast schon exotisch. Doch bei vielen komme dieser “fromme” Einstieg gut an. Negative Reaktionen habe er noch keine bekommen.
In seinem mehr als 20-minütigen Bühnenprogramm geht Cantz dann jedoch nicht über sein Bekenntnis zu Katholizismus und Gebet hinaus. Anders als beim Thema Politik spart er in diesem Jahr mit Kirchen-Kritik. Darauf angesprochen sagt er: “Man sollte sich nicht ständig wiederholen.” Schließlich sei er in den vergangenen Jahren sehr kirchenkritisch gewesen.
Eine deutlich spitzere Zunge in Sachen Kirche hat eine weitere Größe des rheinischen Karnevals: Büttenredner Marc Metzger. Er tourt als “Dä Blötschkopp” im Clownskostüm durch die Säle und bekennt auf der Bühne: “Ich bin jetzt seit 52 Jahren Mitglied im Katholischen Verein. Ich bleib auch dabei.” Im Gespräch mit der KNA betont er: “Selbstkritik ist wichtig. Nur wenn man Teil des Vereins ist, darf man auch Kritik äußern.” So thematisiert er bei seinen mehr als 200 Auftritten im Kölner Karneval auch Missbrauch in der katholischen Kirche mit deutlichen Worten.
Auffallend sei, so Metzger, dass das religiöse und kirchliche Wissen immer mehr verloren gehe – vor allem in den vergangenen zehn Jahren. Auch das thematisiert er auf der Bühne. Ganz still werde es etwa, wenn es um biblische Geschichten gehe: “Da sagst du See Genezareth, da gucken sie dich alle an, als hätten sie im falschen Bus gesessen.” Metzgers Programm besteht zu gut einem Fünftel aus religiösen Anspielungen. “Meistens sitzen die Pastöre beim Karneval in der ersten Reihe. Auch die können bei Kirchenkritik beherzt loslachen.” Das sei wichtig.
Dabei macht Metzger weder vor dem Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki noch vor Missbrauch oder Jesus halt. Er wolle aber niemanden mit seinem Programm kränken, fügt er hinzu. Dabei nehme er sich selbst als Maßstab: “Wenn ich mich als Christ beleidigt fühlen würde, würde ich einen Witz auf der Bühne nicht machen.”
Und der Jesus-Wagen im Kölner Rosenmontagszug, den das Erzbistum Köln und einige CDU-Politiker kritisiert haben? Da hat der praktizierende Katholik etwas Bauchschmerzen: “Der Missbrauchswagen im Rosenmontagszug ist gerechtfertigt. Aber der Schriftzug mit Jesus ist falsch gewählt. Ich würde den Slogan ändern.”