Kathleen ist eine erfahrene Erzieherin. Trotzdem kommt es bei einem Ausflug ihrer Kita zu einem Unfall, bei dem ein Kind stirbt. Das Drama stellt auch Fragen nach einer angemessen ausgestatteten Kinderbetreuung.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Kita-Erzieherin Kathleen (Franziska Hartmann) erlebt bei einem Ausflug einen Albtraum, als unter ihrer Aufsicht zwei Kinder verschwinden und die verzweifelte Suche nach ihnen denkbar tragisch endet: Eines der Kinder ist ertrunken, das andere ringt um sein Leben.
Kathleen, deren Perspektive der Film von Regisseur Stephan Lacant von 2022 in den Mittelpunkt stellt, gerät daraufhin von Elternseite und durch eine Kommissarin hart unter Beschuss, macht sich aber auch selbst schwere Vorwürfe.
Sie kann sich nicht erklären, wieso sie, die erfahrene Erzieherin, das Fehlen der Kinder nicht rechtzeitig bemerkte, und kann sich ihr Versagen nicht verzeihen. Obwohl ihr Mann versucht, sie vor äußeren Anfeindungen zu schützen, droht sie den Boden unter den Füßen zu verlieren.
In kühlen Farben entwirft der Film ein schmerzhaftes Drama um den persönlichen sowie gesellschaftlichen Umgang mit einem katastrophalen Unfall und die Frage nach der Verantwortung. Über das individuelle Ringen der Hauptfigur mit ihrer Schuld hinaus geht es dabei auch um die Situation der Kinderbetreuung in Deutschland und dünne Personaldecken, die Risiken geradezu provozieren. Die einfühlsame Regie und nicht zuletzt das erschütternde Spiel der Hauptdarstellerin sorgen dafür, dass der intensive Film lange nachwirkt.
Blau, Grau, Weiß, hin und wieder ein kühles Grün. Das sind die zentralen Farben dieses Dramas. Und sie sind sehr bewusst gewählt: Sie alle zählen zum Spektrum der kalten Farben. Das Thema dieses Films ist Kälte – die innere Kälte, wenn man sich zutiefst schuldig fühlt, einen unwiderruflichen Fehler gemacht hat. Aber auch die zwischenmenschliche Kälte, wenn man zum Paria einer Gesellschaft wird. “Kalt” zeigt sich sehr geschickt darin, nicht nur seine Hauptdarstellerin, sondern auch die Zuschauerinnen und Zuschauer beständig frösteln zu lassen.
Die erschütternde Story um einen Kita-Ausflug, der mit dem denkbar schlimmsten Szenario endet – einem toten Kind und einem, das um sein Leben ringt – wird filmisch so sorgfältig wie überzeugend umgesetzt. “Kalt” ist, seiner tieftraurigen Geschichte angemessen, ein äußerst bedrückender Film geworden.
Alles beginnt damit, dass plötzlich zwei Kinder verschwunden sind – und Erzieherin Kathleen (Franziska Hartmann) kurz danach den etwa sechsjährigen Nico und die siebenjährige Jenny aus einem nahen Bach zieht. Während der Junge bereits tot ist, wird das lebensgefährlich verletzte Mädchen in eine Klinik gebracht. Für die Familien der Kinder bricht eine Welt zusammen.
Aber auch für Kathleen, deren Perspektive hier im Mittelpunkt steht. Die erfahrene Erzieherin kann sich nicht erklären, wieso sie das Verschwinden der Kinder nicht früher bemerkte, sie kann sich diesen folgenreichen Fehler nicht verzeihen. Darüber verliert sie den Kontakt zu sich selbst und zunehmend den Boden unter den Füßen.
Dass sie mit ihrer Familie in demselben gesichtslosen Neubaugebiet wohnt, in dem auch Nico lebte, macht die Sache nicht leichter: Angesichts von Nicos unter Schock stehender Mutter (Patricia Aulitzky) ist Kathleen erst recht mit Schuldgefühlen konfrontiert, die sie ohnehin zerfressen.
Auch die bohrenden Nachfragen der ermittelnden Polizistin (Anne Ratte-Polle) peinigen sie, ebenso die Versuche ihres Ehemannes (Bozidar Kocevski), ihre Rolle bei dem Unfall durch Manipulationen kleiner zu machen, als sie ist. Kathleen will nicht beschützt werden, jedenfalls nicht um den Preis der Wahrheit. Andererseits treibt sie auch die Sorge um ihren Sohn Luca um, der seit dem Vorfall in der Schule gemobbt wird.
“Kalt” ist ein schmerzhafter Film über das Ringen um den Umgang mit schuldlos verursachter Schuld, das Tragen einer unerträglich hohen Last und die Möglichkeit des Weiterlebens nach einem unsagbar schrecklichen Ereignis. Die Konstellation erinnert ein wenig an den US-amerikanischen Kinofilm “Manchester by the Sea”, in dem ein von Casey Affleck gespielter Vater aus Unachtsamkeit den Tod seiner drei Kinder verursacht.
Dass Drehbuchautor Hans-Ullrich Krause ausgebildeter Pädagoge ist und weiß, wovon er spricht, merkt man seiner sensiblen und präzisen Vorlage an. Zwar stellt das Buch den gesellschaftlich-arbeitsrechtlichen Aspekt nicht in den Vordergrund, doch lenkt “Kalt” den Blick auch auf die Frage nach einer angemessen ausgestatteten Kinderbetreuung. Inwiefern provoziert ein knapp bemessener Personalschlüssel in diesem so wichtigen Bereich manch gefährliche Situation mit?
Regisseur Stephan Lacant lässt durch seine einfühlsame Inszenierung und die stete Nähe zur Hauptfigur deren tiefe Verzweiflung spürbar werden. Hauptdarstellerin Franziska Hartmann wiederum gibt diese haltlose Frau mit einer erschütternden emotionalen Durchlässigkeit. Kameramann Michael Kotschi liefert dazu beklemmende, Kathleens Einsamkeit und die scheinbar allumfassende Kälte einfangende Bilder, das Duo Dürbeck & Dohmen eine wirkungsvolle Musikspur, das Szenenbild trist gleichförmige, (Menschen-)leere Räume.