Artikel teilen:

Käßmann: Freiheit ist Grundton der Reformation

In ihrer Predigt zum Reformationstag hat die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann die Freiheit in den Mittelpunkt gestellt. Mit dem Vers „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auferlegen!“ habe Paulus in seinem Brief an die Galater so etwas wie den „Grundton der Reformation“ formuliert, sagte Käßmann in der Heiligen-Geist-Kirche in Wismar. Auch Luther habe daraus eine innere Freiheit erfahren. „Diese Befreiungserfahrung, diesen Auszug aus der Angst feiern wir auch dieses Jahr zum Reformationstag“, sagte die Theologin.

Luthers Erkenntnis über den Sinn des Lebens – allein aus Glauben, allein aus Gnade – zeige uns heute: „Was TikTok oder Modemagazine fordern, entscheidet nicht über meinen Lebenswert.“ Nicht die Erfolgreichen, Durchsetzungsfähigen und Kriegstüchtigen zählen vor Christus. Im Gegenteil habe Jesus eine „Kontrastgesellschaft gezeichnet“, in der die Barmherzigen und Friedensstifter selig gesprochen werden, betonte Käßmann. In diesen Erkenntnissen liege der Ausgangspunkt der Reformation.

Für Luther haben zur christlichen Freiheit auch Bildung und Verantwortung gezählt. „Es geht zuallererst um die Freiheit, die uns Christus schenkt. Aber in der Konsequenz geht es immer auch um Freiheit des Gewissens, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit in der Gemeinschaft, in der wir leben.“

Übersetzt ins Jahr 2025 bedeutet das für die Theologin mit Blick auf Fake News uns Fundamentalismus: „Wer wirklich frei ist, fragt nach, wagt es, selbst zu denken.“ Dazu gehöre es auch, nicht anonym im Netz zu hetzen, sondern offen zu kommunizieren.

Käßmann ist davon überzeugt, dass in der reformatorischen Botschaft verankert ist, dass der Mensch auch dann wertvoll ist, wenn ihm nicht alles gelingt. Nicht das Einkommen bringe Ansehen, sondern allein Gott. „Du musst dich nicht schämen, weil du auf Bürgergeld angewiesen bist, sondern du bist etwas wert als Kind Gottes!“

Auch eine Haltung zu haben, sei lutherisch. Etwa in der Frage von Krieg und Frieden: „Für mich persönlich ist vom Evangelium her klar, dass wir zum Frieden rufen müssen.“ Sie habe sich immer gefragt, „warum unser Staat das Gewissen derjenigen prüfen will, die den Kriegsdienst verweigern, nicht aber das derjenigen, die ihn leisten wollen. Wenn Gewissensprüfung, dann für alle!“

Dass auch die Glaubensfreiheit für alle gelte, hatte Luther nicht erfasst. „Der Antijudaismus Martin Luthers hat der Kirche, die sich nach ihm benannte, ein fatales Erbe hinterlassen“, sagte Käßmann. Erst nach der Zeit des Nationalsozialismus habe sich die Kirche von diesem Erbe befreit. Heute stehen Christinnen und Christen an der Seite von Jüdinnen und Juden. 2025 stehe fest: „Antisemitismus und Antijudaismus werden wir uns entgegenstellen, weil wir die Glaubensfreiheit aller Menschen verteidigen.“

All das ist für Käßmann nur durch Hoffnung möglich. Die habe die Welt angesichts von „Klimakatastrophe, Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten, Unrecht und Hunger“ dringend nötig. Sie bestehe darin, dass der Mensch sich ändern kann und „zur Freiheit befreit ist“.