Die im Zuge der Cannabis-Legalisierung beschlossene Amnestie für Drogenstraftäter belastet die deutsche Justiz offenbar stärker als erwartet. Laut einer Erhebung des Deutschen Richterbunds in den Bundesländern müssen Staatsanwaltschaften insgesamt 279.000 Altfälle überprüfen, wie der Geschäftsführer des Verbandes, Sven Rebehn, der Augsburger Allgemeinen sagte. „Das Cannabisgesetz stellt sich für die Justizpraxis als das befürchtete Bürokratiemonster heraus“, kritisierte er. Zunächst waren die Behörden von etwa 200.000 zu überprüfenden Strafakten ausgegangen.
„In einer Zeit, in der die Verfahrenszahlen bei den Staatsanwaltschaften immer neue Höchststände erreichen und die angespannte Sicherheitslage mehr denn je einen wehrhaften Rechtsstaat erfordert, wird die Justiz durch ein unausgegorenes Gesetz noch zusätzlich belastet“, rügte Rebehn. Mit 86.000 Fällen entfallen laut der Erhebung des Richterbunds die meisten Überprüfungen auf das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern (41.500) und Hessen (34.000).
70.000 Arbeitsstunden zur Prüfung von Drogenstraftätern
Am Beispiel Baden-Württembergs erklärte Rebehn, dass die Einzelprüfung der Altverfahren zwischen jeweils 15 bis 60 Minuten dauere. Hochgerechnet auf alle 279.000 Fälle bedeute das im besten Fall ein Volumen von rund 70.000 Arbeitsstunden.
Dem Richterbund zufolge erwarten die befragten Justizministerien auch künftig keine spürbare Entlastung infolge der Cannabis-Legalisierung. Der Besitz, der Handel und die Abgabe der Droge seien auch weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen strafbar oder eine Ordnungswidrigkeit.
Seit 1. April ist privater Gebrauch von Cannabis erlaubt
Seit 1. April ist der Konsum von Cannabis für Erwachsene in Deutschland erlaubt. Erwachsene ab 18 Jahren dürfen seitdem bis zu 25 Gramm Cannabis zum eigenen Verbrauch bei sich haben und zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren. Im Eigenanbau sind drei Pflanzen erlaubt. Nach dem Gesetz müssen die Justizbehörden der Länder frühere Urteile nach dem Betäubungsmittelgesetz daraufhin überprüfen, ob sie nach
neuem Recht aufgehoben werden müssen.