Ein professioneller Radfahrer muss sich ganz schön abstrampeln, um genug Energie zu erzeugen, damit eine Scheibe Toastbrot geröstet werden kann. Von dem Video sind Konrad und Amin, beide 14, ziemlich überrascht. Wie viel Energie wir bei ganz alltäglichen Tätigkeiten verbrauchen, war ihnen nicht bewusst. „Das war was anderes, als wenn es dir jemand nur erzählt“, sagt Amin.
Die beiden Jungs haben zusammen mit anderen Neuntklässlern der Peter-Vischer-Schule im Zukunftsmuseum Nürnberg am Projekt „VR Powerplayground“ teilgenommen. Es soll mittels virtueller Realität (VR) die Energiewende im wörtlichen Sinne greifbar machen. Nach einer Einführung in der Dauerausstellung geht es für die Jugendlichen direkt in den Experimentierraum, in dem VR-Brillen und Controller, also tragbare Eingabegeräte, auf sie warten. Zwei verschiedene Anwendungen können sie hier ausprobieren.
Der 14-jährige Zishan soll in einem Energiepark Strom erzeugen, zwischenspeichern und transportieren. Er schaut von oben auf das Gelände und findet dort verschiedene Bauteile. Schnell schnappt er sich mit dem Controller einen langen, weißen Turm und stellt ihn auf einen markierten Platz. Nach zwei weiteren Handgriffen steht das erste Windrad. Danach verlegt er Kabel, Rohre und weitere Bauteile, bis die Anlage fertig ist. „Das fand ich sehr innovativ“, erzählt er hinterher. „So konnte ich besser verstehen, wie das funktioniert.“ Er könne sich durchaus vorstellen, später mal an solchen Anlagen zu bauen, erzählt er.
Wenn das passiert, hat sich der große Wunsch von Helwin Prohaska erfüllt. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Vereins „Energiewende Linz“, der das VR-Projekt entwickelt hat und damit nun durch Schulen und bald auch mehr Museen tourt, vor allem in Österreich. „Was wir von der Branche am häufigsten rückgemeldet bekommen ist, dass es vor allem an Personal und jungen engagierten Menschen mangelt, die sich für diese Themen interessieren“, erzählt er. Viele könnten sich unter der Energiewende wenig vorstellen.
Durch den spielerischen Aspekt werde das Thema anschaulich vermittelt: Wie viel Energie produziert eine Photovoltaikanlage auf einem Mehrparteienhaus im Sommer und im Winter? In der Anwendung lässt sich das leicht selbst herausfinden und beobachten. Ida (14) findet, dass sie durch den Workshop auf jeden Fall ein grundlegendes Verständnis für erneuerbare Energien bekommen hat. „Ich will auch mehr darüber lernen, wie man den Klimawandel stoppen kann. Ich finde, dafür kann und muss jeder etwas tun“, ist sie überzeugt.
Selbstwirksamkeit ist ein weiteres Ziel des Projekts, erzählt Prohaska: „Aber nicht in Bezug darauf, was man im privaten Umfeld machen kann. Wenn man diese berufliche Richtung einschlägt, kann man über Jahrzehnte noch viel mehr verändern.“ Er wolle vermitteln, dass es höchste Zeit für die Energiewende wird, auch um den westlichen Lebensstandard zu erhalten. „Die erste Energiewende war während der Industrialisierung von Holz auf fossile Energieträger und das war gut, sonst würde heute kein Baum mehr stehen. Und jetzt müssen wir die zweite Energiewende schaffen“, sagt der Physiker. Um den Lebensstandard zu erhalten, müsse Europa unabhängig von fossilen Energieträgern aus dem Ausland werden.
Insgesamt rund 840 Schülerinnen und Schüler aus 7. bis 9. Klassen werden in den vier Projekttagen an den Workshops teilnehmen. Einen Bezug zum Thema Energie haben die Jugendlichen auch im Unterricht, erzählt Physiklehrer Thomas Schulze von der Peter-Vischer-Schule. Mit seinen 9. Klassen spricht er über Energiequellen und die Energiewende. Auch in Geografie komme das Thema auf.
Organisiert wurde das Projekt vom Zukunftsmuseum zusammen mit dem Referat für Schule und Sport der Stadt Nürnberg, die schon andere Schulprojekte gemeinsam durchgeführt haben. „Es passt von den Inhalten und der Art der Vermittlung perfekt zu unserem Haus“, sagt Lisa Bauereisen, Projektleiterin von „Zukunftsmuseum Extended“, das alle VR-Projekte des Museums beinhaltet. „Uns geht es vor allem darum, dass die Teilnehmenden verstehen, wo eigentlich die Probleme liegen, und selbstreflektiert und selbstbestimmt mit diesen Themen umgehen können.“ Gleichzeitig solle das Projekt Lust darauf machen, in ein naturwissenschaftliches oder technisches Umfeld einzusteigen, sagt Bauereisen. (3874/10.12.2025)