Artikel teilen:

Jüdischer Gemeindetag endet – Vier Tage diskutieren und feiern

Es war ein Wiedersehen mit Freunden und Bekannten: Man diskutierte, betete und feierte. In diesem Jahr standen Freude und Sorge auf dem jüdischen Gemeindetag nah beeinander. Am Ende gab ein Jazztrio eine Parole aus.

Am Ende spielte das David Hermlin Trio zu einem jazzigen Frühstück auf – und verbreitete zu früher Stunde beste Stimmung. Danach betrat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dieselbe Bühne, um zu den Frühstückenden zu sprechen. Er bekam “Bravo”-Rufe, weil er strikte Konsequenz im Umgang mit antisemitischen Straftaten in Deutschland forderte.

So ging am Sonntag in Berlin der fünfte Gemeindetag des Zentralrats der Juden in Deutschland zu Ende. Vier Tage lang diskutierten, beteten und feierten nach Veranstalterangaben rund 1.400 Menschen aus jüdischen Gemeinden bundesweit gemeinsam in einem Hotel.

Mit dabei waren auch die Schwestern Sabine und Violetta aus Nürnberg. “Der Zusammenhalt unter so vielen Jüdinnen und Juden geht mir nah”, sagte Sabine (30). Es habe ein Einverständnis unter Gleichgesinnten und eine “politisch korrekte Ebene” gegeben. Damit verwies Sabine darauf, dass sich Jüdinnen und Juden oft unverstanden fühlen nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und der Zunahme des Antisemitismus in der Folge auch in Deutschland. Das ist auch der Grund, warum die Schwestern nur ihre Vornamen öffentlich machen wollten.

Die beiden Nürnbergerinnen haben am späten Samstagnachmittag mit anderen Teilnehmenden in der großen Halle den Ruhetag Schabbat in einer feierlichen Zeremonie verabschiedet. Sabine trug eine Halskette mit einem Davidstern. Hier lege sie die Kette selbstverständlich an, sagte sie. Aber wenn sie wieder “nach draußen” gehe, nehme sie sie ab – aus Selbstschutz, betonte sie: “So eine Kette regt Gespräche an.”

Auch dies sollte der Gemeindetag sein: ein sicherer Raum für Jüdinnen und Juden. Denn in der Öffentlichkeit sind sie häufig vorsichtig, und das nicht erst seit den Massakern in Israel am 7. Oktober. Viele tragen keine Halsketten mit Davidstern, andere keine Kippa, wieder andere wollen die Post von ihrer Gemeinde nur ohne Absender zugestellt bekommen.

Rund um den Gemeindetag, der von Donnerstag bis Sonntag dauerte, gab es Meldungen, die aufschreckten: die Festnahmen von vier mutmaßlichen Mitgliedern der Hamas in Berlin und Rotterdam; Hörsal-Besetzungen an der Freien Universität Berlin durch die Gruppe “Students for Free Palestine”. Und einige beschädigte Chanukka-Leuchter in der Hauptstadt, einer davon nur wenige hundert Meter vom Hotel entfernt.

Das alles war Thema – in Diskussionsveranstaltungen, Vorträgen, Workshops und persönlichen Gesprächen. Immer wieder war zu hören, dass Teilnehmende Tote in Israel zu beklagen haben, Söhne und Töchter im Kriegseinsatz wissen und sich um Angehörige und Freunde sorgen. Zugleich feierten die Menschen Gottesdienst, beteten, sangen und tanzten, um das Leben und ihr Wiedersehen zu feiern.

Man hatte das Gefühl, dass die Worte der geladenen hochrangigen Politiker und Politikerinnen sehr genau registriert wurden. Applaus bekamen in jedem Fall ihre Bekenntnisse zu Israel und zur Sicherheit von Jüdinnen und Juden hierzulande. Einen Zwischenruf musste sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gefallen lassen. Dabei ging es um Kritik daran, dass sich Deutschland bei der UN-Resolution für einen Waffenstillstand im Gazastreifen enthalten hatte.

Die Gemeinden unter dem Dach des Zentralrats in Deutschland haben nach offiziellen Angaben rund 95.000 Mitglieder. Hinzu kommen noch Jüdinnen und Juden, die hierzulande keiner Gemeinde angehören. Diese stehen – ähnlich wie bei den Kirchen – vor demografischen Problemen, wie Zentralratspräsident Josef Schuster im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte. “Wo weniger jüngere Menschen sind, ist es schwieriger, sie einzubinden.”

Generell sehe er, dass es zunehmend schwieriger werde, Menschen zu einem ehrenamtlichen Engagement zu bewegen. “Das ist kein jüdisches Phänomen, aber eben auch eine Herausforderung für Gemeinden”, sagte Schuster der KNA.

Was er auch sagte, und zwar gleich am Eröffnungsabend, löste viel Applaus aus: “Wer Juden hasst, ist herzlich eingeladen, unser Land – Deutschland – zu verlassen.” Ganz ähnlich äußerte sich der Bundesjustizminister dann am Ende des Gemeindetags: Wer es nicht ertrage, dass das Judentum zu Deutschland gehöre, sei in Wirklichkeit derjenige, der nicht zu Deutschland gehöre.

Für die Rückkehr der Jüdinnen und Juden in ihre Gemeinden gab das David Hermlin Trio die Parole aus: “Keep swinging.”