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Juan Carlos – Vom Retter der Demokratie zum Geächteten der Nation

Spaniens alter König ist einen langen Weg mit seiner Nation gegangen. Ein Märchenkönig ist freilich nicht aus ihm geworden. Im Gegenteil.

Am Freitag wird in Spaniens Parlament in Madrid ein denkwürdiges Ereignis gefeiert: der 50. Jahrestag der Wiedereinführung der Monarchie. Die Proklamation des Bourbonen-Prinzen Juan Carlos am 22. November 1975 zum König war das symbolische Ende der fast 40-jährigen Militärdiktatur unter General Francisco Franco und bedeutete Spaniens Rückkehr zur Demokratie.

Unter dem Titel “50 Jahre danach: die Krone beim Übergang zur Demokratie” werden Politiker, Philosophen und zwei der Väter der Verfassung von 1978 Reden halten. Natürlich nehmen auch das derzeitige Königspaar Felipe VI. und Letizia sowie Thronfolgerin Leonor an der Gedenkveranstaltung teil. Wer jedoch fehlen wird, ist der eigentliche Protagonist von damals: Altkönig Juan Carlos I.

Das liegt keineswegs am Gesundheitszustand des 87-Jährigen. Er wurde schlicht gar nicht eingeladen. Denn der einstige “Retter der Demokratie” ist längst eine “persona non grata”, eine unerwünschte Person im eigenen Land.

Dabei hat Juan Carlos in seiner jüngst erschienenen Autobiografie nicht ganz unrecht, wenn er behauptet, dass Spanien vor allem dank ihm heute wieder eine Demokratie ist. Bereits 1969 ernannte Franco seinen politischen Ziehsohn und damaligen Prinzen zu seinem Nachfolger. Zwei Tage nach dem Tod des Diktators wurde Juan Carlos zum König proklamiert.

“Das franquistische Lager war nur unter der Bedingung zur Demokratisierung Spaniens bereit, solange die Monarchie nicht infrage gestellt würde”, versichert der Politologe Ignacio Sánchez-Cuenca. “Juan Carlos wurde zweifellos zum Bindeglied zwischen Franquisten und Demokraten und spielte damit eine Schlüsselrolle für die Einführung der Demokratie.”

Dabei machte Juan Carlos nicht einmal nach der Ernennung zum Nachfolger Francos ein Geheimnis daraus, eine parlamentarische Monarchie ins Leben rufen zu wollen. “Wichtig für den Demokratisierungsprozess war zudem, dass Juan Carlos 1976 Adolfo Suárez zum neuen Ministerpräsidenten ernannte”, erklärt Historiker José Manuel Sáenz Rotko von der katholischen Universität Pontificia Comillas in Madrid.

Unter Carlos Arias Navarro, den Franco bereits zwei Jahre vor seinem Tod zum Regierungschef ernannt hatte, waren die notwendigen Reformen ins Stocken geraten. Doch mit Suárez ernannte Juan Carlos einen Reformwilligen aus dem franquistischen System, dem es mit seiner Versöhnungspolitik gelang, eine wirkliche Demokratie einzuführen. Diese wurde 1977 mit ersten freien Wahlen und ein Jahr später mit einer Verfassung endgültig besiegelt.

Es war jedoch eine noch schwache Demokratie, wie der Staatsstreichversuch franco-treuer Militärs am 23. Februar 1981 zeigte. Während Soldaten der Guardia Civil, der nationalen Gendarmerie, unter Oberleutnant Antonio Tejero mit Maschinengewehren das Parlament besetzten, stellte sich Juan Carlos in Militäruniform in einer TV-Ansprache vehement hinter die Demokratie und zwang die Putschisten zur Aufgabe.

Vom Image des “Retters der Demokratie” zehrte Juan Carlos über fast 40 Jahre. Er war beliebt, nicht nur wegen seiner anfänglichen politischen Errungenschaften. Er galt auch als volksnah, lustig und kumpelhaft. Selbst Spaniens Presse nahm eine Art Selbstzensur vor, sobald mal wieder Gerüchte über angeblich außereheliche Liebesaffären aufkamen.

Doch die Skandale nahmen zu, und mit der 2011 aufkommenden Finanzkrise kam die linke Bewegung der “Indignados” und ihre Kritik an der sozial unverträglichen Sparpolitik auf. In genau dieser Zeit, in der die Spanier unter Arbeitslosigkeit, Korruption und Wirtschaftskrise litten, flog 2012 nach einem Unfall auf, dass sich Juan Carlos mit seiner deutschen Geliebten Corinna Larsen, ehemals Sayn-Wittgenstein, auf einer Luxus-Elefanten-Safari in Botsuana befand.

Das war zu viel. Es hagelte Kritik wie nie zuvor. Immer mehr Menschen zweifelten lautstark an der Legitimität der Krone. 2014 sah Juan Carlos selbst ein, dass er als Staatsoberhaupt untragbar geworden war – und dankte ab. Doch es war nur der Anfang einer neuen Serie von Finanz- und Korruptionsskandalen rund um den Monarchen. Im August 2020 wurde er schließlich von seinem Sohn König Felipe und der sozialistischen Regierung gebeten, ins Exil zu gehen – obwohl er es heute so verkauft, als sei seine Nacht-und-Nebel-Flucht freiwillig gewesen.

So lebt er nun seit über fünf Jahren als Gast der befreundeten Scheichfamilie in einer Art “Goldenem Käfig” in Abu Dhabi. Seine Ehefrau, Altkönigin Sofía, hat nach all den Bloßstellungen gar keinen Kontakt mehr zu ihm; sein Sohn Felipe nur noch selten, und wenn, dann nur inoffiziell.

Immerhin wird der mittlerweile als “Skandalkönig” bekannte einstige “Retter der Demokratie” zum 50. Jubiläum der Wiedereinführung der Monarchie zu einem privaten Abendessen am Samstag in den Palacio El Pardo eingeladen. Offizielle Fotos wird es aus der früheren Sommerresidenz des Königshauses aber nicht geben.