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Journalist Reif: Hatte Zweifel wegen Rede bei Holocaust-Gedenken

Sportjournalist Marcel Reif hat offenbar gezögert mit der Entscheidung, ob er bei der Veranstaltung im Bundestag anlässlich des Holocaust-Gedenktags sprechen soll. “Mein Vater hat geschwiegen, weil er wollte, dass ich als behütetes, unbelastetes Nachkriegswirtschaftswunder-Kind aufwachse. Für mich war das heldenhaft. Ich möchte deshalb auch nicht das Sprachrohr meines Vaters sein. Deswegen habe ich auch Zweifel gehabt, ob ich vor dem Bundestag sprechen soll”, sagte der 74-Jährige der “Jüdischen Allgemeinen” (Donnerstag).

Er habe vor, die Geschichte seines Vaters nicht so zu erzählen, wie dieser sie erlebt habe, sondern wie er selbst sie erfahren habe. “Das ist ein Unterschied. Ich könnte und möchte sie auch gar nicht so wie er erzählen, das wäre anmaßend”, betonte Reif. Das Schweigen seines Vaters habe es ihm leicht gemacht, “in diesem Land der Täter aufzuwachsen. Ich sollte nicht in jedem Mann, jeder Frau auf der Straße den vermeintlichen Mörder meiner Verwandten sehen.” Seinem Vater hätte er gerne gesagt, wie dankbar er ihm sei.

Die Gedenkstunde im Bundestag am nächsten Mittwoch steht im Zeichen der generationenübergreifenden Aufarbeitung des Holocausts. Erwartet wird neben Reif auch die Holocaust-Überlebende Eva Szepesi. Beide halten Reden. Szepesi überlebte Auschwitz als Kind, Reif ist Vertreter der zweiten Generation. Eröffnen wird die Gedenkstunde Bundestagspräsidentin Bärbel Bas.

Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus wurde in Deutschland 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführt. Im November 2005 verabschiedete auch die Vollversammlung der Vereinten Nationen eine Resolution, die den 27. Januar zum weltweiten Gedenktag macht.