Predigttext
12 Da nun Jesus hörte, dass Johannes gefangen gesetzt worden war, zog er sich nach Galiläa zurück. 13 Und er verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am Galiläischen Meer liegt im Gebiet von Sebulon und Naftali, 14 auf dass erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesaja, der da spricht (Jesaja 8,23; 9,1): 15 „Das Land Sebulon und das Land Naftali, das Land am Meer, das Land jenseits des Jordans, das Galiläa der Heiden, 16 das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen im Land und Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.“ 17 Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen und zu sagen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!
Wow! Was für eine Verheißung: „Das Volk, das in Finsternis saß, hat ein großes Licht gesehen; und denen, die saßen im Land und Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen.“
Als momentan eifrig Altgriechisch lernender Theologiestudent habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, in den Urtext zu schauen. Und im Altgriechischen hat dieser Vers etwas nahezu Poetisches und Dramaturgisches. Auf das Wort „Finsternis“ folgt unmittelbar das Wort „Licht“, das sie sehen. In gesperrter Stellung tröpfelt die Präzision nach: Nicht einfach nur „Licht“, sondern ein großes Licht. Der Spannungsbogen geht weiter. In paralleler Stellung zu dem Volk, das in Finsternis saß, werden die, die „im Schatten“ sitzen, eingeführt. Wo Schatten ist, kann es noch nicht ganz dunkel sein.
Aber dann wiederum eine nähere Beschreibung: „Land und Schatten des Todes“. Nun ist es vollkommen finster. Doch das „Licht“ lässt erneut nur ein Leerzeichen auf sich warten. Es wird ein Bild von tiefster Dunkelheit gezeichnet, der sofort ein großes Licht entgegengestellt wird, und das in einer grammatischen Zeitform, die genau diesen Aspekt betont: Den Leuten ist einmal in einem Moment ein Licht aufgegangen und dann ist es immer da. Der griechische Leser oder Hörer muss wohl noch beeindruckter gewesen sein von der Wucht einer solchen Verheißung.
Dir ist das Versprechen vom Licht gegeben. Von Gott. Eine geniale Zusage: Auch dem Menschen, der in quälendster Finsternis gefangen ist, ist das Licht gewiss.
Ist dieses Versprechen nicht eigentlich viel zu groß, um in richtig dunklen Momenten zu trösten? Wer stellt sich schon vor das enttäuschte Kind, den Perspektivlosen, die Partner in einer zerrütteten Ehe oder die trauernden Angehörigen und verkündet diese Botschaft vom großen Licht?
Das Schöne ist: Dieses Versprechen, das für den Augenblick vielleicht zu gewaltig ist, muss gar nicht ausgesprochen werden. Die Gewissheit dieser Zusage Gottes kann aber uns dabei unterstützen, die für diese Situation passenden Worte zu finden.
Licht ist ein zentrales Symbol in der Lebenswelt der Pfadfinderinnen und Pfadfinder. Am knisternden Lagerfeuer wird der Tag eines Zeltlagers in gemütlicher Runde beschlossen, man schwelgt in neuen und alten Geschichten, die man sich schon viel Male erzählt hat und stimmt zum Schlag der Gitarren ein Lied an. Ein Lagerfeuer spendet noch genau das Licht und die Wärme, die nötig sind, um sich draußen wohl zu fühlen.
Neben Lagerfeuer, Kerzen, Petroleumlampen und Fackeln rückt jedes Jahr am dritten Advent ein ganz besonderes Licht in den Blick der Pfadfinderinnen und Pfadfinder: Das Friedenslicht. Ein Licht, in der Geburtsgrotte in Bethlehem entzündet, wird weltweit in stimmungsvollen Aussendungsfeiern und Gottesdiensten in die Kirchengemeinden und die Öffentlichkeit getragen.
Das Bild eines Kindes, das voller Erwartung und mit strahlenden Augen das Friedenslicht entgegennimmt, könnte nicht passender sein, um dem Gottesversprechen vom Licht Nachdruck zu verleihen. Die Kinder beschützen ihr Licht und sind hochkonzentriert dabei, die Flamme am Leuchten zu halten. Die Hand wird abschirmend vor die Flamme gehalten, man atmet bewusster und vorsichtiger.
Jesus – das Licht – ist da, wo er gebraucht wird. Es ist nicht nötig, dass wir ihn in die Dunkelheit tragen. Aber wir können dabei helfen, das Licht zu beschützen, möglichst viel Raum auszuleuchten. Mit ihm viel Wärme zu spenden. Wir können die schirmende und schützende Hand um die Flamme sein. Wir können das Feuer mit trockenem und gut gestapeltem Holz nähren. Wir können im richtigen Moment ein Scheit nachlegen, in die Glut pusten und dem Feuer Zunder geben.
Genauso dürfen wir uns, wenn die eigenen Kräfte schwinden oder dunkle Zeiten uns bedrücken, an das bestehende Feuer setzen, uns aufwärmen und Kraft tanken.