Die Landessynode der evangelischen Nordkirche hat sich an ihrem zweiten Sitzungstag in Lübeck-Travemünde mit der Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte befasst. Der Greifswalder Bischof Tilman Jeremias, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Aufarbeitung der Nordkirche, forderte dabei eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der DDR-Geschichte.
Der Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern verwies auf soziologische Studien, denen zufolge sich die 35 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands noch immer zu spürende Spaltung aktuell noch verstärke. Er erklärte, das Zusammenwachsen von Ost und West sei nicht allein Aufgabe des Ostens. Vielmehr brauche es eine spürbare Haltungsveränderung bei den Menschen im Westen. Nötig sei ein Perspektivwechsel, auch in der Kirche: „Kommt zu uns, sprecht mit den Leuten“, appellierte Jeremias an die Synodalen aus westdeutschen Kirchenkreisen.
Viele Menschen im Osten hätten bis heute das Gefühl, dass ihre Perspektiven, ihre Lebensleistung und ihr Alltag politisch kaum vorkommen und im Westen oft übersehen oder missachtet werden. Echtes Zusammenwachsen könne aber nur gelingen, wenn ihre Geschichten gehört, ernst genommen und in den gesamtdeutschen Diskurs einbezogen werden, erklärte Jeremias.
Der Bischof betonte zugleich, dass problematisches Handeln der Kirche in der DDR aufgearbeitet werden müsse. Die Arbeitsgruppe Aufarbeitung versuche auf Menschen zuzugehen, die zu DDR-Zeiten mit entsprechendem Agieren vonseiten ihrer Kirchen in Mecklenburg und Pommern konfrontiert waren. Ein am 1. Oktober vorgestelltes Papier der Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte in den evangelischen Kirchen enthält dazu Empfehlungen.
Pastorin Marie Anne Subklew-Jeutner, die an dem Papier mitarbeitete und sich wie Jeremias für einen Perspektivwechsel aussprach, betonte, eine öffentliche Anerkennung des Unrechts sei für Betroffene wichtig. Eine ehrliche, transparente Aufarbeitung und ein entsprechendes, öffentliches Anerkennen durch die Kirche könne Heilung hervorbringen.
Die Landessynode ist das Kirchenparlament und damit verfasstes Leitungsgremium der Nordkirche. Ihr gehören 156 stimmberechtigte Mitglieder an. Ihre November-Tagung begann am Donnerstag und läuft bis Sonnabend.