Meine Erfahrungen: teils – teils. Mit Paderborn war’s immer schon schwierig. Als in den sechziger Jahren in einem Hammer Ortsteil mit überwiegend evangelischer Bevölkerung ein Kindergarten gebaut werden sollte, sagte unser Presbyterium ab. Der Grund: Wir hatten schon zwei, in jedem Pfarrbezirk einen. So suchten wir eine den Gegebenheiten Rechnung tragende faire Lösung und fanden sie: Die katholische Gemeinde möge den Kindergarten errichten, sich aber zugleich zur Anstellung einer evangelischen Erzieherin verpflichten.
So geschah’s, so wurde es in einer Vereinbarung zwischen beiden Kirchengemeinden besiegelt. Und galt am Ende nichts! Denn als es soweit war, teilte das Erzbistum Paderborn mit, dass die katholische Ortsgemeinde gar nicht berechtigt gewesen sei, eine solche vertragliche Vereinbarung zu treffen; sie sei daher unwirksam. Aus und vorbei. Tatort: Hamm-Wiescherhöfen, Ortsteil Lohauserholz.
Die zweite Negativerfahrung ergab sich im Zusammenhang mit der Errichtung der Telefonseelsorge Hamm, als Paderborn mit aller Macht darauf drang, sie in katholischer Trägerschaft zu führen. Aufgrund klarer Fakten im Blick auf die zahlenmäßige konfessionelle Ausgewogenheit gab am Ende doch die Mathematik den Ausschlag zu Gunsten der evangelischen Seite. Eigentlich überflüssig zu sagen, dass die Arbeit selbst in bester ökumenischer Verträglichkeit getan wird. Rechtlich gibt es einen Vertrag zwischen beiden Seiten: Die Kosten teilt man sich.
Für mich als überzeugten Ökumeniker kam es immer darauf an, das gemeinsam Mögliche auszuloten und es dann auch zu tun. Im Kernpunkt des gemeinsamen Mahles machte ich es mir nicht leicht. Wo immer ich in eine Situation geriet, in der ich als Protestant nach römisch-katholischem Kirchenrecht „draußen“ war, ging ich zum Priester und fragte, ob ich als Mitchrist teilhaben dürfe. Hier und da wurde ein kleines Glaubensexamen abgehalten (mit der Kernfrage nach der Realpräsenz Christi), das ich aber bestand. Nie wurde ich abgewiesen.
Meine schönste Erfahrung dieser Art erlebte ich in Cuernavaca, Mexiko. Zum Abschluss eines Protestantentreffens besuchten wir eine Messe in der Vorstadt. Unsere Gruppe, etwa 30 Personen, war angemeldet. Wir saßen en bloc hinten in einer Ecke, ausgestattet mit Kopfhörern: Simultanübertragung. So konnten wir voll dabei sein. Eine äußerst beeindruckende Feier, in der unter anderem Friedens-Aktivisten aus San Salvador zu Wort kamen und für ihren Einsatz geehrt wurden.
Dann die Eucharistie, in der das total Unerwartete geschah. Als die Gemeinde kommuniziert hatte, kam der Pfarrer quer durch den Kirchenraum zu uns und gab uns Brot und Segen, ließ uns teilhaben. Unvergesslich. Ähnlich erlebe ich es auch in amerikanischen Gemeinden: Fragte ich an Weihnachten, als ich zusammen mit einem katholischen Verwandtschaftsteil an der Messfeier teilnahm, den amtierenden Monsignore um die Teilnahme-Erlaubnis, so schaute er mich ziemlich verwundert an und beschied mich mit einem „of course“. Seitdem habe ich es mir abgewöhnt zu fragen. Ich weiß, dass ich dazugehöre, auf Grund höherer Gewalt sozusagen. Komisch finde ich es nur, dass mir das ein Monsignore sagen musste.
Rom möge nur Rom bleiben, das Volk Gottes muss sich nicht an Verbote, die dem Evangelium von der freien Gnade Gottes in Christus widersprechen, halten. Ungehorsam als Christenpflicht! Bis eines Tages auch dort hinter den Mauern der Groschen fallen wird – hoffentlich nicht zu spät.
Meine Erfahrung bündele ich so: Je größer die räumliche Entfernung von Rom, umso leichter das Christsein.
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„Je weiter Rom, desto leichter das Christsein“

Hanno Gutmann