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Italien hat seine 60. Unesco-Welterbestätte – “Spitzenreiter”

Es ist entschieden: Italien hat seine 60. Unesco-Welterbestätte: Die Via Appia Antica, wo Jesus laut Legende Fußspuren hinterließ. Damit baut das Land seinen Spitzenplatz beim schützenswerten Erbe der Menschheit weiter aus.

Wenn es die Römer ins Grüne zieht, landen sie oft im Südosten ihrer Stadt: Dort, wo Schafherden endlose Weiden finden, Rad- und Wanderwege über 2.000 Jahre alte Basaltquader führen und eine unbändige Pflanzenvielfalt sich an christliche Gräber, heidnische Tempel und römische Villen heranmacht. Auf den 4.580 Hektar von Europas größtem städtischen Regionalpark vereinen sich im Schatten von Zedern, Zypressen und Schirmpinien Archäologie und Natur zur einzigartigen “Via Appia Antica”.

Seit dem Wochenende verfügt das 16 Kilometer lange “Freilichtmuseum”, das sich seit vorchristlicher Zeit als “Königin der Straßen” weiter bis in Italiens Stiefelabsatz zieht, über einen besonderen Ehrentitel: Es wurde vom Unesco-Welterbekomitee im indischen Neu Delhi als schützenswertes Kulturgut der Menschheit anerkannt – die Nummer 60 für Italien. Damit baut das Land seinen Spitzenplatz mit den meisten Unesco-Welterbestätten aus.

Dabei hat die “regina viarum” eine kontroverse Geschichte. Begonnen 312 v. Chr. unter Konsul Appius Claudius Caecus, garantierte sie jahrhundertelang den direkten Handelsweg von Rom bis nach Brindisi in Apulien. Über die 540 Kilometer lange Trasse behauener Basaltplatten erhielt das Römische Reich wichtige Güter aus dem Orient – samt Sklaven.

6.000 von ihnen wurden 71 v. Chr. nach dem Sieg der Römer über Spartakus entlang der Via Appia gekreuzigt. Urheber dieses grausamen Aktes war Marcus Licinius Crassus, Schwiegervater von Caecilia Metella, deren mächtiges Grabmal noch heute an der Via Appia zu sehen ist; nur eines der vielen Zeugnisse verschiedener Epochen, die wenige Kilometer vom Kolosseum entfernt beginnen und sich bis in die weite Landschaft der römischen Campagna ziehen, wo einst Goethe sich porträtieren ließ.

Gerade für religiös Interessierte ein Muss sind Kirchen und Grabmäler der frühen, damals noch von der Staatsmacht verfolgten Christen: die Katakomben von Domitilla, Callixtus und Sebastian mit der gleichnamigen Basilika; oder die Kirche San Nicola, einziges Beispiel der Zisterziensergotik in Rom.

Nach der Villa und dem Mausoleum des Maxentius beginnt der lange gerade Abschnitt der Römerstraße, der außergewöhnlich gut erhalten ist. An vielen Stellen zeigen sich Spuren der Karren im antiken Pflaster, gesäumt von den alten Bürgersteigen, den sogenannten Crepidinen. Auf einigen Abschnitten ist die Straße für jeglichen motorisierten Verkehr gesperrt – doch auf viel zu wenigen, so meinen Kritiker.

Für Besucher ist der Regionalpark bestens erschlossen: Das Appia Antica Service Center bietet neben Unterkünften auch Karten, Programmtipps, einen Fahrradverleih sowie Führungen zu Fuß, per Rad oder Minicar. Eine neue Multimedia-Ausstellung schickt den Besucher auf eine virtuelle Zeitreise durch die Geschichte der “regina viarum”.

Nach der Villa der Quintilier und dem imposanten kreisförmigen Grab “Casal Rotondo” aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. bietet sich der Rückweg über das Caffarella-Tal an. Dort durchziehen alte römische Aquädukte die weite Landschaft und erlauben den Blick bis in die Berge. Das Blöken von Schafen und das Singen zahlloser Zikaden lassen die Nähe zum lärmenden Rom vergessen.

Literatur- und Kinofans ist die Via Appia durch das Hollywood-Epos “Quo Vadis” von 1951 bekannt, noch immer ein Muss im TV-Programm an Feiertagen: die bittersüße Liebesgeschichte des römischen Feldherrn Marcus Vinicius (Robert Taylor) und der Christin Lygia (Deborah Kerr). Eine Büste in der Kirche würdigt den Autor und Literaturnobelpreisträger Henryk Sienkiewicz (1846-1916).

Kern von Roman und Film ist die Legende der “Domine Quo Vadis”-Kirche am Anfang der Via Appia: Hier soll Jesus dem vor Kaiser Nero – im Film unnachahmlich verkörpert von Peter Ustinov – fliehenden Petrus (Finlay Currie) erschienen sein. “Domine, quo vadis?” – “Herr, wohin gehst Du?”, soll der Apostel gefragt haben. “Ich gehe nach Rom, um mich ein zweites Mal kreuzigen zu lassen”, so die Antwort. Darauf kehrte Petrus beschämt zurück nach Rom, um der jungen Christengemeinde beizustehen – und selbst gekreuzigt zu werden.

Staunend steht der heutige Betrachter in der kleinen Kirche vor einer weißen Marmorplatte, auf der sich Fußabdrücke ausmachen lassen: Diese soll nach der Legende Jesus höchstselbst damals hinterlassen haben – eines der vielen Wunder der Via Appia Antica.