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Internationale Gemeinden wollen in Nordkirche mitgestalten

Die Nordkirche zusammen mit den Internationalen Gemeinden gestalten – wie das Miteinander für eine Kirche der Zukunft klappen kann, erzählen Prince Ossai Okeke und Annette Reimers-Avenarius.

Annette Reimers-Avenarius und Prince Ossai Okeke beraten Internationale Gemeinden und die Nordkirche
Annette Reimers-Avenarius und Prince Ossai Okeke beraten Internationale Gemeinden und die NordkircheKristina Tesch

Die Nordkirche ist vielfältiger, als viele ahnen: Neben den rund 900 deutschsprachigen Kirchengemeinden gibt es zahlreiche Internationale Gemeinden, die ihren Glauben in verschiedenen Sprachen und Traditionen leben. „Im Internationalen Kirchenkonvent, den wir 2022 gegründet haben, sind 46 Gemeinden vertreten, die mit der Nordkirche zusammenarbeiten möchten – aber es gibt noch weit mehr“, sagt Prince Ossai Okeke. Der Referent für die Internationalen Gemeinden auf dem Gebiet der Nordkirche beschreibt seine Aufgabe als Beziehungsarbeit: „Es geht um Zusammenarbeit, darum, wie wir gemeinsam Kirche sein können. Wir schauen, wo Internationale Gemeinden sind, wer Kontakt wünscht, wie wir voneinander lernen können und was wir zusammen machen können.“

Viele der Internationalen Gemeinden haben Wurzeln in Ghana, Nigeria, Kamerun oder Korea. Besonders viele sind in Hamburg aktiv, doch auch in Kiel, Schwerin und anderen Städten wächst das internationale kirchliche Leben. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind vielfältig. „Wir lesen dieselbe Bibel, aber die Kultur spielt eine große Rolle“, sagt Okeke. In manchen Gemeinden werde etwa die Ordination von Frauen abgelehnt, weil diese Entscheidung in den Herkunftskirchen getroffen werde. „Das sind Themen, über die wir reden müssen – und manchmal kommen wir da auch nicht weiter.“

Es gibt verschiedene Modelle

Pastorin Annette Reimers-Avenarius begleitet diese Prozesse als Ökumenebeauftragte der Nordkirche. Sie betont, dass die Zusammenarbeit von persönlichen Beziehungen lebt: „Ob es gut läuft, hängt oft von den Menschen vor Ort ab – von den Pastorinnen und Pastoren, die miteinander ins Gespräch kommen.“ In Hamburg-Borgfelde etwa gestalten die dortige Kirchengemeinde und zwei afrikanische Gemeinden seit 2006 jeden Monat gemeinsam den „International Gospel Service“. Andere Gemeinden nutzen Kirchen- oder Gemeinderäume der Nordkirche für ihre Gottesdienste und Veranstaltungen. „Es gibt verschiedene Modelle, von reiner Raumnutzung bis hin zu enger Kooperation“, sagt Okeke.

Ein zentraler Unterschied zwischen den Nordkirchen-Kirchengemeinden und Internationalen Gemeinden liegt in der Struktur. „In den Internationalen Gemeinden läuft alles zu 100 Prozent ehrenamtlich“, erklärt Reimers-Avenarius. „Selbst der Pastor hat meist einen ‚Brotberuf‘. Das ehrenamtliche Engagement hat bei ihnen einen sehr hohen Stellenwert, da können wir sicher noch etwas lernen in der Nordkirche.“ Zudem seien die Internationalen Gemeinden oft zugleich spiritueller, sozialer und diakonischer Ort: „Dort wird nicht nur gebetet. Da hilft man sich gegenseitig beim Umzug oder bei Schwierigkeiten im Job oder mit Behörden. Die Gemeinde ist Familie.“

Identität zwischen Sprache und Kultur

Okeke ergänzt: „Jede Migration bringt ihren Glauben mit. Kirche ist für viele ein Zuhause. Ich kann mich nicht erinnern, je einen Sonntag nicht in der Kirche gewesen zu sein. Das gehört zu meinem Leben.“ Diese Verwurzelung, sagt er, sei auch für die zweite Generation wichtig, die hier aufwächst und ihre Identität zwischen Sprachen und Kulturen gestaltet.

Doch nicht immer läuft das Miteinander reibungslos. Wenn Internationale Gemeinden Räume der Nordkirche nutzen, entstehen auch Konflikte – wegen Lautstärke, Liturgie oder einfach unterschiedlicher Erwartungen. „Manche finden Schlagzeug und E-Gitarre im Gottesdienst zu laut“, sagt Okeke schmunzelnd. „Aber für viele gehört das dazu.“ Schwieriger werde es, wenn Internationale Gemeinden nur zum Singen oder Kochen eingeladen werden: „Das ist keine Gemeinschaft auf Augenhöhe. Wir wollen nicht nur Gäste sein, sondern mitgestalten.“

Eine geschenkte Begegnung

Reimers-Avenarius sieht in der Vielfalt eine große Chance: „Wir hätten als Nordkirche viel gewonnen, wenn wir internationale Christinnen und Christen als Geschwister im Glauben sehen – nicht nur als Untermieter, die unseren Etat entlasten. Gott hat uns diese Begegnung geschenkt.“ Beide vermitteln bei Konflikten, beraten Kirchengemeinden und fördern Projekte, etwa interkulturellen KonfirmandInnenunterricht oder gemeinsame Fortbildungen. „Wir stellen Räume zur Verfügung, schaffen Plattformen und unterstützen, wenn es hakt“, sagt sie. „Aber letztlich müssen die Gemeinden selbst entscheiden, wie sie zusammenarbeiten möchten.“

Beide wünschen sich für die Zukunft mehr Offenheit. „Von den Internationalen Gemeinden kommt oft der Satz: Macht doch die Tür auf, wir wollen mitgestalten“, sagt Okeke. „Viele Menschen bleiben dauerhaft hier. Das ist auch ihre Kirche, ihr Land, ihre Zukunft.“ Reimers-Avenarius formuliert es theologisch: „Wir alle sind Gäste hier. Auch die großen Kirchen, die wir verwalten, gehören uns nicht. Sie sind uns anvertraut – und wir sollten sie offenhalten für alle, die mitgestalten wollen.“

Immer zum 3. Sonntag des Monats lesen Sie künftig eine Kolumne aus einer der Internationalen Gemeinden auf dem Gebiet der Nordkirche.