Kein Krabbeln auf dem Teller – als die EU vor einem Jahr die Liste der essbaren Insekten erweiterte, fürchteten einige Leute, nun überall Larven untergeschoben zu bekommen. Doch der Markt entwickelt sich bislang anders.
“Wir verarbeiten keine Insekten” oder “Nein Danke zu Insektenmehl”: Anfang vergangenen Jahres sahen sich viele Händler, insbesondere Bäckereien, genötigt, Schilder mit diesen oder ähnlich lautenden Hinweisen in ihren Schaufenstern zu platzieren. “Aus aktuellem Anlass” stand häufig dabei.
Denn kurz zuvor hatte die EU-Kommission ihre sogenannte Novel-Food-Verordnung um einen Eintrag erweitert. Ende Januar trat die Novelle in Kraft. Als sicheres Nahrungsmittel deklariert und somit im Staatenbund zugelassen sind seitdem auch die Larven des Getreideschimmelkäfers, auch Buffalowurm genannt.
Es ist wohl kaum von der Hand zu weisen: Besonders appetitlich sehen die wurmartigen gelb-braunen Larven nicht aus, wenn sie sich zu Hunderten umeinander tummeln. Sie ähneln stark den artverwandten, aber etwas besser bekannten Mehlwürmern – den Mehlkäferlarven, die ebenfalls als Lebensmittelbestandteil zugelassen sind. Doch ist von der ursprünglichen krabbeligen Form der Larven später nichts mehr sichtbar. Zumeist werden sie in gemahlener Form, als Larvenmehl, oder verarbeitet als Paste zugegeben. Auch der Verzehr als gefrorenes oder gefriergetrocknetes Produkt wäre theoretisch möglich.
Dabei ist der Buffalowurm schon das vierte Insekt, das als neuartiges Lebensmittel in der EU zugelassen wurde. Beginnend mit dem bereits oben genannten gelben Mehlwurm im Mai 2021 folgten danach die Wanderheuschrecke und die Hausgrille. Was alle Insektentypen eint, ist ihr hoher Anteil an hochwertigem Eiweiß. Zudem gilt ihre Zucht als deutlich klimaschonender als die von Rindern oder Schweinen – und außerdem weitaus weniger platzintensiv.
Es gibt also gute Gründe, zumindest über den Verzehr von Insekten nachzudenken – abgesehen davon, dass sie ohnehin für mehrere Milliarden Menschen zum Speiseplan gehören. Doch überwiegt hierzulande weiterhin der Ekel vor den Krabbeltieren – bei einigen gepaart mit der Angst, dass diese nun als vermeintliches Billigprodukt in die Nahrung gemischt würden.
Wie haltlos derartige Befürchtungen sind, offenbart ein Blick auf die Kosten. Derzeit werden insektenhaltige Produkte nur von wenigen, meist kleinen Unternehmen vertrieben. Diese Sparten-Existenz treibt den Preis hoch. So sind etwa 100 Gramm Nudeln aus Insektenmehl drei- bis viermal so teuer wie herkömmliche Weizennudeln. Ein heimliches Untermischen, um dadurch am vermeintlich hochwertigeren Weizen zu sparen, wäre tatsächlich ein Minusgeschäft für den Manipulator.
Perspektivisch gehen einige Forscher davon aus, dass durch neue Technologien und den Aufbau eines Kreislaufsystems die Kosten bei Insektenzucht und -verarbeitung gesenkt werden können. Dennoch wird der wichtigste Punkt die richtige Kommunikation sein, um langfristig so etwas wie Akzeptanz für insektenhaltige Lebensmittel in der Bevölkerung zu erreichen. Laut einer YouGov-Umfrage von 2021 liegt die Bereitschaft in Deutschland, Insekten zu verzehren, im Schnitt bei 13 Prozent, wobei sie bei jüngeren Menschen noch deutlich höher liegt als bei Älteren.
Eine Trendwende ist zwar bislang nicht absehbar, dennoch spielt insektenhaltige Nahrung in ihrem Nischendasein auch weiterhin eine Rolle. Auch bei der aktuell in Berlin stattfindenden Grünen Woche, der größten Agrarmesse der Welt, werden den Besuchern an manchen Ständen Produkte aus Insekten angeboten. Für “die ganz Mutigen” heißt es auf der Website der Messe – wobei diese auf den Ekel-Faktor zugeschriebene Werbung einer generellen Akzeptanz wohl kaum förderlich ist.