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Inklusives Spielzeug ist nur schwer zu bekommen

Kinder lieben es, davon zu träumen, was wohl unter dem Weihnachtsbaum liegen könnte. Für Mädchen und Jungen mit Beeinträchtigung und ihre Eltern ist die Suche ungleich schwerer.

Inklusives Spielzeug, wie die Barbie im Rollstuhl, ist im allgemeinen Handel schwer erhältlich
Inklusives Spielzeug, wie die Barbie im Rollstuhl, ist im allgemeinen Handel schwer erhältlichImago / UPI Photo

“Die sieht ja so aus wie ich”, ruft das Mädchen und freut sich. Sie hält eine Puppe mit Hörgerät in den Händen. Solche Szenen beobachtet Anja Kunz, stellvertretende Leiterin der inklusiven Kindertagesstätte “Rheinlinge” in Mainz, häufig. “Für Kinder ist es wichtig, dass sie sich mit ihrem Spielzeug identifizieren können, dass sie sich in Bilderbüchern wiedererkennen”, berichtet sie.

Die Erzieherinnen in der Einrichtung sind immer auf der Suche nach inklusivem Spielzeug. Das sind einerseits Darstellungen in Büchern, Puppen oder Figuren, die Merkmale einer Beeinträchtigung aufweisen. Zum anderen gehört niederschwelliges Spielzeug dazu, mit dem sich Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gleichermaßen beschäftigen können: Memory-Spiele, Boccia-Kugeln oder Würfel mit starkem Kontrast, die klingen oder ertastet werden können. Brettspiele mit Vertiefungen für die Figuren erleichtern Menschen mit eingeschränkter Bewegungssteuerung das Spiel.

Angebot von inklusiven Spielzeug wächst

Neu auf dem Markt sind Lego-Steine für Kinder mit einer Sehbeeinträchtigung. Jeder Stein hat oben Noppen, die einer Zahl, einem Buchstaben oder einem Symbol der Brailleschrift entsprechen. Dazu gibt es Anleitungen zu verschiedenen Aktivitäten. Bei den “Rheinlingen” ist ein Klangspiel sehr beliebt. Manche Kinder lieben es, auf die Stäbe zu schlagen, dass es einfach klingt, andere experimentieren und probieren unterschiedliche Tonfolgen aus.

“Das Angebot ist schon besser geworden. Es gibt aber noch viel Luft nach oben. Einfach so ins Geschäft gehen und stöbern, das geht nicht. Oft sprechen uns auch Familien an und bitten um Rat. Manche Eltern passen die Puppe dann im Eigenbau an, setzen ihr etwa ein Hörgerät ein”, erzählt Kunz.

Häufig würden Darstellungen von Mädchen und Jungen im Rollstuhl angeboten – das sichtbarste Zeichen einer Behinderung. So gibt es Barbies und Playmobil-Figuren mit einer Gehbehinderung. “Es fehlt allerdings ein breites Angebot. Die meisten Kinder bei uns haben ganz andere Beeinträchtigungen: Autismus, eine geistige Behinderung oder eine Seh-Hörschwäche”, gibt die stellvertretende Leiterin zu Bedenken.

Deutsche gaben 2023 4,5 Milliarden Euro für Spielzeug aus

Die beliebtesten Kategorien sind Bausätze wie vom Marktführer Lego sowie Spiele und Puzzles – gefolgt von Spielwaren für Klein- und Vorschulkinder. Das Segment inklusives Spielzeug ist so klein, dass eine Statistik nicht bekannt ist.

Steffen Kahnt, Geschäftsführer des Bundesverbands des Spielwaren-Einzelhandels, weist darauf hin, dass die Zielgruppe sehr klein ist. “Immer mehr Hersteller erweitern den Horizont und bieten Puppen oder Figuren im Rollstuhl oder mit Down Syndrom an. Vielfältigkeit spielt eine Rolle bei der Vermarktung”, sagt er. “Die Händler sehen hier aber keinen Trend oder Boom.”

Dennoch gibt es die betroffenen Kinder – und sie wollen auch spielen. Laut dem Infosystem der Kinder- und Jugendhilfe lebten Anfang 2022 etwa 415.780 Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung in Deutschland. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband geht von 14.000 Schülerinnen und Schülern mit diesem Handicap aus.

Für sie alle ist der Ariadne Inklusionsladen in Karlsruhe ein Paradies. Dankwart von Loeper führt das Inklusionsgeschäft seit 25 Jahren – mit Filiale vor Ort und Online-Store. 8.000 verschiedene Produkte hat er im Sortiment. Er sucht weltweit nach ihnen. “Ich freue mich, dass wir jetzt in Spanien in einer kleinen Werkstatt eine Puppe mit Rollstuhl gefunden haben. Eltern und Großeltern nehmen manchmal lange Wege auf sich, um hier einzukaufen, etwa vor Weihnachten”, erzählt von Loeper.

Erfolgserlebnisse sind unendlich wichtig

Seit Deutschland 2009 die Behindertenrechtskonvention unterschrieben hat, nehme die Nachfrage nach inklusivem Spielzeug allmählich zu, berichtet er. Kindertagesstätten und Schulen öffneten sich dem Thema. Gut so, findet von Loeper. “Kinder haben ein Recht zu spielen. Das wird oft nicht bedacht. Für sie alle ist es spannend, mit den Sinnen eigene Erfahrungen zu machen”, betont er. “Es ist wesentlich, sie die Erfahrung machen können, dass sie selbst etwas bewirken, das nicht jemand anderes etwas für sie machen muss. Diese Erfolgserlebnisse sind unendlich wichtig.”

Daher gibt es bei Ariadne auch eine Werkstatt. Hier werden etwa batteriebetriebene Spielzeuge so umgerüstet, dass sie über einen einfachen Buzzer gestartet werden können. Auch für Kinder ohne Beeinträchtigung sei es bereichernd zu erfahren, dass die Welt vielfältig ist, sagt der Verkäufer. “Die Kinder lernen einen normalen Umgang mit Behinderung, wenn sie es schon mit ihrem Spielzeug einüben.”

Wichtiger Schritt in Richtung Inklusion

Wenn die Puppe mit Down-Syndrom im Geschäft neben dem Mädchen ohne Einschränkungen stehen würde, wenn beide Figuren für die kleinen Kunden selbstverständlich zu ihrer Welt gehören würden, dann wäre das ein großer Schritt hin in Richtung Inklusion. Das erhofft sich die stellvertretende Kita-Leiterin Anja Kunz. Inklusives Spiel sei für Kinder nicht kompliziert: “Das gemeinsame Spiel kann mit einfachen Mitteln gelingen. Unsere Kinder mögen die bunten Therapiebohnen. Sie können sie umschütten, den Geräuschen lauschen, fühlen oder für Rollenspiele verwenden, je nach ihren Stärken und Schwächen. Alle können mitmachen.”