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Imam beklagt Muslimfeindlichkeit: Andere Religionen werden bevorzugt

Die Islamfeindlichkeit in Deutschland hat laut dem Penzberger Imam Benjamin Idriz in den vergangenen Jahren „dramatisch zugenommen“. Dennoch höre man nur selten den klaren Satz: „Muslimisches Leben in Deutschland muss geschützt werden“, sagte Idriz laut Manuskript bei der Diskussionsrunde „Wie viel Religion braucht Demokratie?“ am Dienstag in München. Zu der Veranstaltung in der Hanns-Seidel-Stiftung hatten der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und die frühere Münchner evangelische Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler eingeladen.

Er sei seit fast 30 Jahren als Imam in Deutschland tätig, sagte Idriz: „Ich habe nie zuvor so ein starkes Gefühl von Unsicherheit und gesellschaftlicher Spaltung verspürt, wie es derzeit der Fall ist.“ Laut Studien hätten rund sieben von zehn Personen eine negative bis feindliche Meinung über Muslime. Er ermutige Gläubige in jeder Freitagspredigt, „positiv zu denken“ und sich „für dieses Land einzusetzen“, erläuterte er. Es sei entscheidend, „dass wir nicht resignieren, sondern uns aktiv für den Erhalt von Demokratie und Vielfalt engagieren“.

Es werde aber auch darauf ankommen, wie die Politik, die jüdischen Gemeinden, die Kirchen und die Medien den Muslimen gegenüberstehen, also ob sie diese als gleichberechtigte Partner akzeptieren „oder sie an den Rand drängen“, sagte Idriz. Auch aus der Politik kämen Stimmen, die den ersten Artikel des Grundgesetzes infrage stellten. „Diese Rhetorik, die die Würde des Menschen missachtet, kommt nicht nur aus den Reihen der AfD.“ Noch viel bedenklicher sei, dass selbst Behörden diskriminierende Publikationen herausgäben.

„Leider mangelt es oft am nötigen Willen der höchsten politischen Repräsentanten, konstruktive muslimische Kräfte zu unterstützen“, bedauerte Idriz. Die Bevorzugung einer Religion auf Kosten anderer berge die Gefahr, die Gesellschaft weiter zu polarisieren. „Muslime spüren diese Form der Diskriminierung besonders stark.“ Das Gefühl der Ausgrenzung führe dazu, „dass Muslime sich weiter zurückziehen und in Parallelwelten abdriften“. Die sei nicht nur für Muslime problematisch, sondern belaste auch die Politik und die Demokratie.

Gleichzeitig müssten aber auch die Religionen ihre Rolle als ethische und moralische Instanz unter Beweis stellen, forderte Idriz. Eine Religion dürfe ihre Grundwerte wie Frieden und Gerechtigkeit nicht zugunsten ideologischer und politischer Interessen opfern. Terror, Krieg und Rache müssten konsequent abgelehnt werden. Zugleich rief er dazu auf, nicht alle Muslime über einen Kamm zu scheren: Extremisten, die den Islam missbrauchen, stünden keineswegs für den Islam oder die Muslime.

Mit Blick auf Verbrechen sagte er, es sei auffällig und besorgniserregend, wie unterschiedlich die Reaktionen ausfallen, je nachdem, wer der Täter sei. Wenn ein Nicht-Muslim die Tat begehe, bleibe der Aufschrei viel leiser. Es werde mit zweierlei Maß gemessen. „Wir müssen sicherstellen, dass alle Verbrechen gleich behandelt werden, unabhängig von der Herkunft oder dem Glauben des Täters.“ Die Religionsgemeinschaften müssten es besser machen und stets auf der Seite der Leidenden stehen: „Unabhängig davon, ob diese in Israel, Gaza oder der Ukraine leben.“ (00/2681/10.09.2024)