Mehr als 31.000 Exponate, dazu Besucher aus 146 Nationen: Zwei Floristen haben aus einer Sammelleidenschaft ein internationales Kult-Museum gemacht. Wer hier hereindackelt, wird auf einer besonderen Bank verewigt.
“Wir müssen leider draußen bleiben” – wie oft haben Hunde schon vor solchen Schildern gestanden. Auch wenn sie die Schrift nicht lesen können, ahnen die Tiere bisweilen, dass Herrchen oder Frauchen ihren Vierbeiner jetzt für eine Zeitlang zurücklassen könnten. Nicht so in der Weiße-Hahnen-Gasse 3/5 in Regensburg. Dackelblicke, die einen Menschen dahinschmelzen lassen und ihm ein schlechtes Gewissen machen könnten, gibt es zwar auch hier – aber Hunde an der Leine sind im einzigen weltweiten Dackelmuseum herzlich willkommen. Kostenlos übrigens. Nur zweibeinige erwachsene Begleiter müssen Eintritt zahlen.
Welcher Artgenosse auch über die Schwelle dackelt, den empfängt ein freundliches “Wuff” aus dem Hintergrund. Denn “Seppi” und “Moni” (beide 8 Jahre) und die sechsjährige “Blümchen” sind hier zu Hause. Auf dem Papier haben Josef “Seppi” Küblbeck (61) und Oliver Storz (53) das Sagen – aber die wirklichen Gebieter sind die drei Kurzhaardackel. Das wissen auch ihre Besitzer.
Es kommt nicht von ungefähr, dass in einer der 15 Vitrinen ein riesiger Wälzer mit dem Titel “Wie erziehe ich einen Dackel? Band 1” liegt. “Da könnte man noch viele Bände schreiben”, sagt Küblbeck lachend. Der aus Simbach am Inn stammende Meister der Floristik hat sein Herz früh an Dackel verloren. Aber erst zum 30. Geburtstag, als er beruflich im niederbayerischen Passau “sesshaft” geworden sei, habe er sich endlich einen angeschafft, erzählt er. Eine Dame namens “Bazi” übrigens. Sie und ihr Nachfolger sind, obwohl längst verstorben, stets mit an Bord seines Wohnmobils: in zwei Urnen.
Sein Ehemann Oliver Storz, ebenfalls Floristmeister, teilt die Begeisterung für Hunde. In der Gärtnerei seiner Eltern im Schwarzwald gehörten ein Bernhardiner und eine Pudel-Dackel-Mischung zur Familie.
Irgendwann fingen Storz und Küblbeck an, Krimskrams rund um den Dackel zu sammeln. Dieses Hobby pflegten sie neben ihrer Kunst, “Floristik und Deko auf Kommando zu schaffen”, wie es Storz nennt. So statteten sie unter anderem die auf der Donau fahrenden Kristallschiffe der Reederei Wurm & Noé aus und machten mit einer Ausstellung zum Blumenschmuck im Barock von sich reden.
Irgendwann entstand die Idee, in Passau ein Ladengeschäft mit “Schönem für Einheimische, Zugereiste und Touristen” aufzumachen. Und siehe da: Nicht die Bayern-Souvenirs brachten den besten Umsatz, sondern jene, die mit dem Dackel zu tun hatten. Warum also nicht ein Dackelmuseum samt Shop eröffnen? Aus dem Vorhaben wurde 2018 Wirklichkeit.
Was dann folgte, hätten sich die Hundefreunde nie vorstellen können. Nach ersten Presseberichten über ihr Museum stand das Telefon nicht mehr still. Anrufbeantworter und E-Mail-Eingang quollen über vor Anfragen und Reaktionen, auch aus dem Ausland. “Der Dackel ist nunmal der Inbegriff für Bayern – neben Hofbräuhaus, Weißwürst und Bier”, sagt Küblbeck. Diesem Klischee ist auch eine Vitrine gewidmet, in der sich ein frecher Dackel eine Wurstkette geschnappt hat. Auf Biergläsern und Krügen sieht man Hunde an der Seite ihrer zechenden Herrchen.
Die beiden Männer hatten einen Nerv getroffen. Seit Oktober 2024 steht ihr Dackelmuseum, das seit 2022 seinen Sitz in Regensburg hat, auf der Liste der 13 skurrilsten und außergewöhnlichsten Museen weltweit auf Platz vier. Zu sehen sind über 5.000 Exponate – ein Bruchteil der Kollektion, die mehr als 31.000 Stücke umfasst. Über allem wachen die drei echten Dackel, die im Museum immer mit von der Partie sind. Vor allem “Klein-Seppi” kennt keine Berührungsängste. Mit den Vorderpfoten umfasst er das Hosenbein der ihn streichelnden Reporterin und schleckt freudig deren Nase ab.
“Wir bekommen immer wieder Nachlässe zur Verfügung gestellt”, erzählt Küblbeck. Ein Pater Lukas, dessen Zimmer für seine Dackelsammlung zu klein geworden war, überließ ihnen alles in Kisten. Eine 84-jährige Dame in Ohio/USA habe sogar ein eigenes Testament nur für das Dackelmuseum gemacht: “Auf 35 Seiten hat sie 833 Exponate akribisch beschrieben.” Dazu gehören Kuriositäten wie der Elvis- und der Bananen-Dackel. Die Mitarbeiter haben in der Corona-Zeit begonnen, alles aufzulisten. Am Ende sind sie noch lange nicht.
Wer die zig Schlüsselanhänger aus Holz und Plastik, Glasfiguren, Messerbänke in Dackelgestalt und dazu passende Löffel sieht, kann sich das lebhaft vorstellen. Die Firma Steiff fertigte immer wieder neue Plüsch-Variationen von Deutschlands beliebtestem Jagdhund, mal mit kurzem, mal mit langem Haar. Aber auch in Holz und aus Plastik gibt es die Hunde zum Spielen.
Große Karriere machten die Wackeldackel, die vor 60 Jahren bei einer deutschen Firma das Licht der Welt erblickten – und schließlich massenhaft die Hutablage hinter den Autorücksitzen bevölkerten. Das kostbarste Stück der Sammlung ist eine Schale aus der Aeltesten Volkstedter Porzellanmanufaktur. Der Hundekörper ist aus Halbedelstein geformt, die Augen aus Rubinen.
Und da wäre noch “Waldi”, das Maskottchen der Olympischen Spiele 1972 in München – ein bunt gestreifter Dackel, designt von Otl Aicher. In der bayerischen Landeshauptstadt ist die Hunderasse zu Hause wie kaum woanders. Herzog Franz von Bayern geht regelmäßig mit Dackeldame “Beppi” im Park von Schloss Nymphenburg spazieren. Münchner TV-Produktionen wie “Pumuckl” oder der “Tatort”: undenkbar ohne die Mitwirkung eines entsprechenden Vierbeiners. Gustl Bayrhammer alias Kommissar Melchior Veigl schleuste seinen “Oswald” schon mal in der Aktentasche ins Polizeipräsidium ein.
Der Promifaktor des Dackels ist nicht zu unterschätzen: Luise Kinseher, Bettina Böttinger und Til Schweiger sind bekennende Fans. Selbst Malerfürst Pablo Picasso wurde von einem Tag auf den anderen einer. Der Dackel eines Fotografen, der ihn in Spanien besuchte, erwählte sich den Künstler als neues Herrchen – so entstand der kultige Picasso-Dackel. Kult ist längst auch das Museum samt seiner Besitzer. Drei Ds stehen mittlerweile für Regensburg, sagen sie scherzhaft: Donau – Dackel – Dom.
Wer vom Flussufer Richtung Altstadt geht, kommt automatisch bei ihnen vorbei. Eigentlich seien sie damals auf dem Weg zum Dom gewesen, um ein Kreuz für ihr neues Heim zu kaufen, erinnert sich Küblbeck. Da entdeckten sie die zur Vermietung stehenden Räumlichkeiten. Tatsächlich kamen sie mit der Hausbesitzerin ins Geschäft. Zur Eröffnung gab auch Pfarrer Roman Gerl seinen Segen. Rund 35.000 Besucherinnen und Besucher kommen pro Jahr; über 140 Nationen wurden schon gezählt.
Jeder Dackel-Gast wird auf einer Langbank im Eingangsbereich abgelichtet. Die lange Bank verfügt über Schwanz und Kopf, allerdings ohne zu wackeln. Mehr als 7.000 Bilder sind auf ihr schon entstanden. Den Fototermin mit der Reporterin absolvieren die Hunde des Hauses professionell: “Seppi, Moni, Blümchen, schaut mal!”, rufen ihre Herrchen – und prompt gucken sie vorbildlich in die Kamera.