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Wenn Mütter ihre Kinder bereuen

Nicht jede Frau findet in der Mutterschaft ihre Erfüllung. Manche Frauen bereuen es, dass sie sich für ein Kind entschieden haben. Hier erzählt eine Betroffene.

Manche Frauen bereuen es, dass sie ein Kind bekommen haben
Manche Frauen bereuen es, dass sie ein Kind bekommen habenImago / Funke Foto Services

Könnte Corina Linke-Voigt die Zeit zurückdrehen, würde sie sich nicht noch einmal dazu entscheiden, Mutter zu werden. Und das, obwohl sie ihr Kind nach eigener Aussage liebt. „Ich habe ein sehr gutes und inniges Verhältnis zu meiner Tochter“, sagt die 46-Jährige. „Wir tauschen unsere Gedanken aus, sie fragt mich oft um Rat.“

Dennoch bereue sie es, Mutter geworden zu sein. „Es ist unglaublich anstrengend, gerade als Trennungsmutter“, berichtet die Steuerfachangestellte aus Schleswig-Holstein. „Ich bin mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem ich denke, ohne Kind würde es mir psychisch besser gehen, da ich mich dann mehr auf mich selbst konzentrieren könnte.“

Regretting Motherhood: Ihr Kind trägt keine Schuld

Sie betont jedoch, dass ihr Kind keine Schuld daran trage: „Immer wenn der Gedanke in mir hochkommt, dass ich meine Mutterschaft bereue, denke ich auch immer daran, dass ich ihr das auf keinen Fall zeigen oder sie spüren lassen darf.“ Aufgetreten seien die Reuegedanken vor mehr als fünf Jahren, während der Trennung vom Vater ihrer Tochter. „Aufgrund des Stresses und der Streitigkeiten, die durch die Trennung entstanden sind, wurde mir bewusst, wie wahnsinnig angreifbar man ist, wenn man ein Kind hat“, sagt Linke-Voigt. Seit der Trennung lebe ihre elfjährige Tochter beim Vater. Ihr Kind sei jedes zweite Wochenende bei ihr.

Die Braunschweiger Soziologin und Autorin Christina Mundlos beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Regretting Motherhood. Sie sieht verschiedene Gründe als Auslöser. „Das Muttersein wird immer noch sehr verklärt, auch wenn die damit einhergehenden Belastungen und Einschränkungen oder auch Gefahren hier und da mal thematisiert werden“, sagt sie. Letztendlich bleibe es bei der Thematisierung der negativen Seiten bei einem Kratzen an der Oberfläche, ohne dass nachhaltige Lösungen angeboten werden. „So nach dem Motto: Muttersein kann auch anstrengend sein, aber ein bisschen Me-Time mit einem Tee und etwas Yoga gleichen das aus.“ Das sei aber ein Irrtum, sagt die Soziologin.

Die Soziologin Christina Mundlos beschäftigt sich mit dem Thema Regretting Motherhood
Die Soziologin Christina Mundlos beschäftigt sich mit dem Thema Regretting MotherhoodPrivat

Auch strukturelle Probleme seien dafür ausschlaggebend, dass manche Frauen ihre Mutterschaft bereuen. „Solange jede dritte Frau häusliche Gewalt erlebt, bei gemeinsamen Kindern die Gefahr besteht, bei einer Trennung die Kinder an den Täter zu verlieren, und 75 Prozent der Alleinerziehenden keinen oder zu wenig Unterhalt zur Versorgung der Kinder erhalten, lassen sich die Belastungen und Risiken der Mutterrolle nicht wegatmen“, stellt Mundlos klar.

Die Debatte zu Regretting Motherhood werde seit etwa zehn Jahren geführt. Dabei seien die Bedingungen für Mütter laut Einschätzung der Expertin vorher schon schlecht gewesen. Die Problemlagen hätten sich lediglich verschoben. „Während es früher Frauen zum Beispiel nicht erlaubt war, ohne Einverständnis des Ehemanns erwerbstätig zu sein und es insbesondere in Westdeutschland auch fast keine Möglichkeiten der Kinderbetreuung gab, können Mütter heutzutage zwar erwerbstätig sein, zahlen dafür aber einen hohen Preis, da die Mehrfachbelastung größtenteils an ihnen hängen bleibt.“

Mütter finanziell benachteiligt

Außerdem seien finanzielle und strukturelle Benachteiligungen damals wie heute ein großes Problem für Mütter. Über Regretting Motherhood zu sprechen, sei ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Linke-Voigt wollte über ihre Situation sprechen und suchte sich Hilfe bei Anlaufstellen wie dem Jugendamt und der Familienberatung, doch dort habe sie keine guten Erfahrungen gemacht. „Ich habe nicht die Unterstützung erhalten, die ich mir erhofft hatte“, berichtet sie. „Ich wünsche mir, dass man nicht nur als Mutter gesehen wird, sondern auch als der Mensch, der man vorher war und dass man sich nicht ständig dafür rechtfertigen muss, auch eigene Bedürfnisse zu haben.“

Über die Social-Media-Plattform Instagram hat sie sich mit anderen Frauen vernetzt, denen es ähnlich geht, und tauscht dort Erfahrungen aus. „Ich habe das Gefühl, dass man als Trennungsmama etwas andere Voraussetzungen hat als als Mutter, die noch mit dem Vater des Kindes zusammen ist.“ Sie habe die Hoffnung, dass ihre Reuegedanken eines Tages verschwinden.