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Ich darf schön sein

Fernseh-Shows, Hochglanzmagazine, Supermodels auf dem Laufsteg – die Welt dreht sich um Schönheitswahn. Aber was ist das eigentlich: Wahre Schönheit?

„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“, so fragt Schneewittchens Stiefmutter. Schönheit war Lebensinhalt dieser Frau im Märchen der Gebrüder Grimm. Dafür ging sie sogar über Leichen.

Wenn die eigene Schönheit so eine große Bedeutung einnimmt, dann läuft etwas falsch. Im wirklichen Leben äußert sich das zum Beispiel in Essstörungen, in Schönheitsoperationen oder dem Drang, jedem Trend hinterherzuhecheln.

Auch die großen Weltreligionen stellen die Frage nach Aussehen und Erscheinung. Dort finden sich zum Beispiel Kleidervorschriften wie – aktuell heftig diskutiert – das Verhüllungsgebot für die Frau im Islam. Auch im Christentum gibt es Strömungen, die eine Kleiderordnung vorschreiben. Sei es ein mindestens knielanger Rock oder eine Kopfbedeckung für die Frau. Dahinter stecken die Bedenken, geistliche Werte würden nicht genug beachtet – und eine gewisse Körperfeindlichkeit. Noch heute wird es manchmal nicht gerne gesehen, wenn jemand zu großen Wert auf sein Äußeres legt. Das galt früher sowohl auf reformatorischer als auch auf katholischer Seite. Die Menschen sollten sich bescheiden kleiden, die Mode wurde als Feind betrachtet.
Wie ist das heute? Dürfen Christinnen und Christen Modetrends verfolgen, sich „aufbrezeln“ und mal die Blicke auf sich ziehen?

Der Benediktinerpater Anselm Grün schreibt in seinem Buch „Schönheit – Eine neue Spiritualität der Lebensfreude“, Gott habe uns Menschen Anteil an seiner schöpferischen Kraft geschenkt. „So ist es unsere Aufgabe, diese Welt schön zu gestalten, uns selbst und anderen das Leben schön oder schöner zu machen.“ Dazu gehöre auch, dass man sich schön anzieht. Die Grenze sieht Grün da, wo die Sehnsucht nach Schönheit zu krankhaften Verhaltensweisen führt. Bei alldem sei jedoch zu beachten, dass jeder Mensch schön ist, wenn er mit sich im Reinen und zufrieden ist, so Anselm Grün.

Das bestätigt Friseur Udo Walz, der Stars und Models frisiert: Schönheit hat immer mit Ausstrahlung zu tun, sie kommt von innen. Gleichzeitig hat gutes Aussehen sehr viel mit Gepflegtsein  und gutem Geschmack zu tun, so Walz.

Das Aussehen ist ein wesentlicher Faktor für das Selbstbild einer Person. „Kleider machen Leute“ – das trifft auf die Selbstwahrnehmung wie auf die der Mitmenschen zu. Wer sich selbst etwas Gutes tun will, wer sich wohl fühlen möchte, der sollte auf seine Außenwirkung achten.

Den Vers aus dem Korintherbrief „Ihr seid teuer erkauft, darum preist Gott an eurem Leib“ könnte man so auslegen: Wir dürfen und sollen auf uns achten und unsere natürliche Schönheit unterstreichen. Ein Kompliment für gutes Aussehen lässt den Betroffenen gleich noch besser aussehen.

Wenn sich jemand allerdings nur oder in erster Linie über seine Schönheit definiert, wird es kritisch. Das Streben nach gutem Aussehen darf keine Übermacht gewinnen. Denn das kann auf den falschen Weg führen. Auch wenn es nicht immer gleich so bitter enden muss wie im Märchen bei der bösen Stiefmutter.