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“House of Dynamite”: Wie ein Atomkrieg beginnt

Fünf Jahre nach ihrem letzten Film kehrt Katherine Bigelow mit “House of Dynamite” zurück. Die Handlung beginnt, als eine interkontinentale Rakete auf die Vereinigten Staaten abgefeuert wird.

Rebecca Ferguson als Olivia Walker, Offizierin im Situation Room im Weißen Haus. Sie schwankt zwischen dem Versuch ihre Familie zu schützen und den Pflichten einer militärisch-politischen Managerin
Rebecca Ferguson als Olivia Walker, Offizierin im Situation Room im Weißen Haus. Sie schwankt zwischen dem Versuch ihre Familie zu schützen und den Pflichten einer militärisch-politischen ManagerinNetflix

Nur 18 Minuten bis zur Katastrophe. Bis zum Einschlag eines atomaren Sprengkörpers auf Chicago. In Kathryn Bigelows Film „A House of Dynamite“ scheitert der Versuch, eine Atomrakete unbekannter Herkunft zu zerstören. Die Phase der politischen Entspannung ist vorbei. Hochrüstung und Misstrauen bestimmen das Miteinander der Großmächte.

House of Dynamite: Erschreckend realistisch

Waren es die Nordkoreaner oder die Iraner? Das beantwortet der hoch spannende Film, der aktuell auf dem Streamingportal Netflix und in ausgewählten Kinos läuft, nicht.  Um eine Auflösung der Fragen geht es der US-Regisseurin auch nicht. Ihr kinematografischer und narrativer Fokus liegt auf dem Davor. Der Entscheidungsfindung unter zeitlichem Druck mit nur wenig Information. Erschreckend realistisch ist das. Dreimal erzählt Bigelow von diesen 18 Minuten aus mehreren Perspektiven: Politik, Militär, CIA, Katastrophenschutz und US-Präsident – mit jeder der Varianten vervollständigt sich ein Bild, das immer nur unvollständig sein kann. Großes Kino.

Bigelow ist eine der aktuell interessantesten Regisseurinnen in den USA. Auch deshalb, weil sie filmisch ein Feld beackert, in dem sich sonst nur ihre männlichen Kollegen hervortun. Ihr Oeuvre ist nicht groß, aber dafür umso bedeutender. Ihr Fokus liegt auf dem Mechanismus von Krieg und den Menschen, die in diesem gefangen sind. Aufgefallen ist sie zuvor mit ihren oscarprämierten Werken „Zero Dark Thirty“ (2012) über die Jagd nach Osama bin Laden mit dem filmischen Fokus auf eine junge US-Agentin und mit „The Hurt Locker“ (2008), der die frühe US-Besetzung des Iraks thematisiert und vor die Erzähl­kulisse das Porträt eines traumatisierten Bombenentschärfers setzt. Es sind jedes Mal eindringliche Charakterstudien. Die Filme wechseln zwischen Distanz und Nähe zu den Figuren. Der Zuschauer taucht ein in diese Ambivalenz. Action ist bei Bigelow nie nur Mittel zum Zweck. Sie ist Chiffre für die Seele eines gebrochenen Landes.

A House of Dynamite (USA 2025). Regie: Kathryn Bigelow. Mit: Idris Elba, Rebecca Ferguson und weiteren. Zu sehen aktuell auf Netflix und in ausgewählten Kinos.