Die berühmten Kessler-Zwillinge Alice und Ellen sind im Alter von 89 Jahren im Grünwald bei München gestorben. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) bestätigte laut Münchner Merkur und tz, dass es sich um einen assistierten Suizid gehandelt habe. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet Fragen zum Thema Suizidbeihilfe.
Was versteht man unter Beihilfe zum Suizid?
Beihilfe zum Suizid leistet, wer einem Menschen, der sich selbst tötet, dabei hilft, etwa durch das Besorgen von Medikamenten. In Abgrenzung zur verbotenen aktiven Sterbehilfe oder “Tötung auf Verlangen” kommt es darauf an, dass die Sterbewilligen das Geschehen selbst in der Hand behalten. Den Wunsch nach assistiertem Suizid äußern nicht nur sterbenskranke Patienten, sondern auch Menschen, die unter Depressionen leiden oder sich als lebenssatt bezeichnen.
Wie ist die Gesetzeslage in Deutschland?
Suizid und nicht geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid waren nie strafbar. Der Konflikt drehte sich vor allem um die Frage, wie Sterbehilfevereine oder Ärzte zu beurteilen sind, die Suizidbeihilfe kommerziell oder organisiert und wiederholt anbieten. 2015 hatte der Bundestag ein Gesetz beschlossen, das kommerzielle und auf Wiederholung angelegte (geschäftsmäßige) Suizidbeihilfe untersagte.
Das Bundesverfassungsgericht kippte das Verbot Anfang 2020 und ließ damit grundsätzlich die Tätigkeit von Sterbehilfe-Vereinen zu. Dabei formulierten die Karlsruher Richter ein sehr weitreichendes Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben – und zwar unabhängig von Alter oder Krankheit.
Wurden die Regelungen daraufhin geändert?
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil von 2020 dem Gesetzgeber nahegelegt, Missbrauch durch ein Schutzkonzept zu verhindern. Der Staat solle einen rechtlichen Rahmen schaffen, der einerseits das Recht auf einen selbstbestimmten Tod ermöglicht, andererseits aber verhindert, dass alte und schwerstkranke Menschen zum Suizid gedrängt werden, weil sie als Last empfunden werden. Dazu lagen dem Bundestag in der Folge mehrere parteiübergreifende Gesetzentwürfe vor, die aber bis heute keine Mehrheit erhielten.
Unter welchen Voraussetzungen ist Suizidbeihilfe nicht strafbar?
Die Entscheidung muss freiverantwortlich, also ohne Überredung, Druck oder psychische Störungen erfolgen. Die entscheidende Person muss in der Lage sein, alle relevanten Informationen zu Alternativen abzuwägen. Die letzte, todbringende Handlung, etwa die Einnahme eines Medikaments, muss immer vom Betroffenen selbst vorgenommen werden.

Wie ist der aktuelle Stand in Sachen Suizidpräventionsgesetz?
Die Suizidvorbeugung soll 2026 gesetzlich verankert werden. Das berichtete vor kurzem das Deutsche Ärzteblatt unter Berufung auf Koalitionskreise. Zuvor hatten mehrere Verbände angesichts von rund 10.000 Suizidfällen pro Jahr an die Politik appelliert, so schnell wie möglich ein Schutzkonzept für Menschen mit Suizidgedanken zu entwickeln und umzusetzen.
Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag auf ein Suizidpräventionsgesetz verständigt. Ende 2024 hatte die Ampel-Regierung bereits einen Gesetzentwurf beschlossen, der aber wegen des Bruchs der Regierung nicht mehr umgesetzt wurde.
Wie steht die katholische Kirche zum assistierten Suizid?
Sie fordert eine klare gesetzliche Regelung. Derzeit fänden assistierte Suizide ohne eine entsprechende Regulierung statt, kritisierte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erst im Oktober. Die Kirche trete als “Lobbyist für das Leben” auf. Es gelte, suizidinteressierten Menschen beizustehen und ihnen aufzuzeigen, dass es andere Lösungen für ihre Situation geben könne.
Der katholische Theologe Jochen Sautermeister warnte davor, die Berichterstattung über frei gewählte Suizide zu normalisieren. Dies sei bedenklich, weil so der assistierte Suizid als eine Handlungsoption neben anderen dargestellt werde, sagte der Ethiker, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, der KNA.
Warum eine Normalisierung von Suizid verhindert werden soll
Sautermeister warnte zudem grundsätzlich davor, “dass der assistierte Suizid angesichts der massiven Herausforderungen im Gesundheits- und Pflegesystem an Bedeutung gewinnt”. Betroffene Gruppen müssten vor jeglichem sozialen Druck geschützt werden, vorzeitig aus dem Leben scheiden zu wollen. Er plädierte zugleich für eine Gesetzgebung, “die die geschäftsmäßige Sterbehilfe verbietet und einer Normalisierung von assistiertem Suizid entgegentritt”.
Wenn Sie Suizidgedanken haben oder bei einer anderen Person wahrnehmen: Kostenfreie Hilfe bieten in Deutschland der Notruf 112, die Telefonseelsorge 0800 111 0 111 und das Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33. Weitere Infos und Adressen unter www.deutsche-depressionshilfe.de.
