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Hoffnung für Nierenkranke – Lebend-Organspende soll leichter werden

Bisher gelten strenge Regeln bei der Lebendspende von Organen. Spender und Empfänger müssen nicht nur immunologisch kompatibel sein, sondern auch im Näheverhältnis stehen. Jetzt sollen die Vorschriften gelockert werden.

Hoffnung für Nierenkranke: Die Bundesregierung will die Möglichkeit von Organspenden erweitern. Die strengen Voraussetzungen bei Nierenlebendspenden sollen gelockert werden. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine entsprechende Änderung des Transplantationsgesetzes. Inhaltlich stimmt die Regelung weitgehend mit dem Gesetzentwurf überein, den das Ampel-Kabinett bereits verabschiedet hatte, aber wegen des vorzeitigen Endes der Koalition nicht mehr durchbringen konnte.

In Deutschland lebten rund neun Millionen Menschen mit einer chronischen Nierenkrankheit, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie. Viele von ihnen brauchen eine neue Niere. Manche Schicksale werden bekannt: 2010 hat der damalige SPD-Fraktionschef im Bundestag und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seiner Frau Elke Büdenbender eine Niere gespendet.

Nierentransplantationen sind eine Erfolgsgeschichte. Auch lebende Menschen können ihre Niere unter bestimmten Voraussetzungen spenden. Und der Bedarf ist groß: 2024 warteten mehr als 6.400 Bundesbürger auf einer Liste auf eine Spenderniere. 253 von ihnen starben, ohne ein Organ erhalten zu haben.

Das hat mit der im internationalen Vergleich geringen Bereitschaft der Deutschen zur Organspende zu tun. “Die Wartezeiten sind teils dramatisch länger als im EU-Ausland, viele warten länger als zehn Jahre”, sagt der Berliner Transplantationsmediziner Fabian Halleck, der die Ständige Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer berät.

Organmangel besteht aber auch wegen der vergleichsweise strengen Vorschriften bei der Lebendspende: Bislang muss nach deutschem Recht eine lebend spendende Person nicht nur biologisch kompatibel mit dem Kranken sein. Eine Lebendspende ist auch nur zulässig, wenn sich beide Personen nahestehen. Das gilt beispielsweise bei Verwandten ersten oder zweiten Grades, Verlobten, Lebenspartnern und Personen, die sich offensichtlich in persönlicher Verbundenheit nahe sind.

Diese Regelung soll nach dem Willen von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gelockert werden: Künftig sollen auch Nierenspenden zwischen zwei unterschiedlichen Paaren über Kreuz, sogenannte Cross-over-Lebendspenden, möglich sein. Ferner soll in Deutschland ein nationales Programm für Überkreuzlebendnierenspenden aufgebaut werden. Das soll die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass insbesondere hochimmunisierte Patienten, die Antikörper gegen die meisten angebotenen Organe haben, ein passendes Organ erhalten.

Geplant ist außerdem, anonyme Nierenspenden zugunsten einer der Spenderin oder dem Spender nicht bekannten Person zu erlauben. Die spendende Person soll dabei keinen Einfluss auf den Empfänger haben. Darüber hinaus will die Bundesregierung den Schutz der Spender stärken: Mögliche Spender müssen vor einer Transplantation eine unabhängige psychosoziale Beratung erhalten. Ebenso ist die individuelle Betreuung der Betroffenen im Transplantationszentrum über den gesamten Spendeprozess verpflichtend vorgesehen.

Begründet wurden die bislang sehr strengen Regeln damit, dass Missbrauch und kommerzieller Organhandel in Deutschland unterbunden werden sollen. Diese Sicherheit soll weiter gewährleistet bleiben: So soll die Vermittlung der Nieren ausschließlich nach medizinischen Kriterien und unter Wahrung der Anonymität erfolgen. Konkret sollen die Transplantationszentren über die Annahme inkompatibler Organspendepaare und von Spenderinnen oder Spendern anonymer Nierenspenden entscheiden und die erforderlichen Daten an eine unabhängige zentrale Stelle melden.

Die Bundesärztekammer hatte das Gesetzesvorhaben im Vorfeld begrüßt. “Es ist gut, wenn in Zukunft mehr Menschen, die das nach reiflicher Überlegung wünschen, eine Niere für andere geben können”, sagte Kammer-Präsident Klaus Reinhardt. Zugleich machte der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Helmut Frister, deutlich, dass die Erweiterung des Spenderkreises das Problem des Organmangels nicht lösen werde. Lebendspenden decken nur einen kleinen Teil der Organspenden ab. 2024 wurden in Deutschland 3.701 Organe transplantiert, jedes sechste kam von einem Lebenden.