Droht ein weiterer Eklat im Parlament? Der Bundestag stimmt über einen Gesetzentwurf zur Migrationspolitik ab. Dabei könnten erneut Stimmen der AfD den Ausschlag geben. Zuvor war es zu einem heftigen Schlagabtausch gekommen.
Die geplante Abstimmung über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Union hat im Bundestag für eine hitzige Debatte gesorgt. CDU/CSU und FDP auf der einen sowie SPD und Grüne auf der anderen Seite überzogen sich nach einer mehrstündigen Sitzungsunterbrechung am Freitag gegenseitig mit Vorwürfen. Erstmals könnte nun ein Gesetzentwurf nur mit Hilfe der Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD verabschiedet werden. SPD, Grüne und Linke lehnen das Gesetz ab; FDP, AfD und auch BSW hatten angekündigt, zustimmen zu wollen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird für den frühen Abend erwartet.
Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) verteidigte die geplante Abstimmung. Es gehe um kleine Schritte, die zeigten, ob der Bundestag noch handlungsfähig sei. Man müsse die Sorgen und Nöte der Menschen aufnehmen. Merz verteidigte zudem erneut, dass am Mittwoch erstmals ein Antrag im Bundestag nur mit Hilfe der AfD verabschiedet worden war. Auch dieser kam von der Union und hatte Verschärfungen der Migrationspolitik zum Ziel. Der Antrag bleibe in der Sache richtig, sagte Merz. Anders als ein Gesetz hat ein Antrag aber keine rechtliche Bindung.
Der Unionsfraktionschef warf SPD und Grünen vor, eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD zu konstruieren. “Von meiner Partei reicht niemand der AfD die Hand.” Die AfD sei “eine in großen Teilen rechtsextreme Partei”, die das Fundament der Demokratie untergrabe. Er werde alles tun, damit die AfD wieder zu einer Randerscheinung werde, so Merz.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, SPD und Grüne hätten die aktuelle Situation nicht zu verantworten. Er warf Merz vor, immer mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. “Das Prinzip ‘Friss und stirb!’ muss für immer vorüber sein.” Die SPD hätte dem Vorschlag der FDP, das Gesetz in den Innenausschuss zurückzuüberweisen, zugestimmt, so Mützenich. Die Union habe aber keine Bereitschaft gezeigt, über Veränderungen zu verhandeln. Am besten wäre es jedoch gewesen, die Union hätte ihren “untauglichen und rechtlich bedenklichen Gesetzentwurf” vom Tisch genommen.
Die Abstimmung über das Gesetz sei “dramatischer als der Tabubruch von Mittwoch”, sagte Mützenich. Erstmals drohten mit den Stimmen der AfD Recht und Gesetz geändert werden. Dabei machten sich gut meinende Politiker, Kirchen, Gewerkschaften und Künstler zurecht Sorgen, in welche Richtung die Demokratie abdrifte. “Die Lebensader unserer Demokratie wurde vor zwei Tagen beschädigt, aber noch nicht durchschnitten”, sagte der SPD-Fraktionschef. Es sei noch nicht zu spät, in die Mitte der Demokratie zurückzukehren. “Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten, aber das Tor zur Hölle können wir noch gemeinsam schließen. Sie müssen die Brandmauer wieder hochziehen”, appellierte Mützenich in Richtung Merz.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach von einer Zäsur und einem Fehler, der Folgen haben werde. Dieser erschüttere die Menschen in Deutschland, irritiere die Wirtschaft, die händeringend im Ausland nach Fachkräften suche, und wecke Sorgen bei den Partnern Deutschlands, vor allem in Europa. “Der Weg wurde freigemacht ins Herz unserer Demokratie”, warnte Baerbock. Die Bilder hallten nach, in Deutschland und in ganz Europa.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, man habe eine demokratische Mehrheit organisieren wollen für Ordnung und Kontrolle in der Migration. Dem hätten sich SPD und Grüne verweigert. Heidi Reichinnek (Linke) warnte davor, dass die Demokratie kippe. Dies sei eine Schande für die Union, das Parlament und das Land. Reichinnek fragte in Richtung Union, ob es christlich sei, diejenigen zu bestrafen, die Schutz bräuchten, indem man den Familiennachzug aussetze.
Das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz sieht vor, dass das Ziel einer Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland für das Aufenthaltsrecht zur Maßgabe werden soll. Auch soll der Familiennachzug zu sogenannten subsidiär Schutzberechtigten bis auf weiteres beendet werden. Die Bundespolizei soll mehr Befugnisse erhalten und etwa Haft und Gewahrsam beantragen können, um Abschiebungen abzusichern.
Dem Gesetz müsste nach dem Bundestag allerdings noch der Bundesrat zustimmen, was wegen der dortigen Mehrheitsverhältnisse als unwahrscheinlich gilt.