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Historiker über Arbeit an angekündigter Passauer Missbrauchsstudie

Noch dieses Jahr soll eine Missbrauchsstudie für das Bistum Passau kommen. Der damit beauftragte Historiker Marc von Knorring sprach mit dem “Passauer Bistumsblatt” über seine Vorgehensweise und mögliche Reaktionen.

Rund 2.400 Priester-Personalakten wurden gesichtet, 25 Betroffene und knapp 35 weitere Zeitzeugen interviewt: Diese Rahmendaten hat der Historiker Marc von Knorring dem “Passauer Bistumsblatt” bekanntgegeben. Der 54-Jährige und sein Team von der Universität Passau bekamen vor drei Jahren den Auftrag, eine “wissenschaftliche Studie zu sexuellem Missbrauch und körperlicher Gewalt an Minderjährigen im Bistum Passau von 1945 bis in die Gegenwart” zu erstellen. In Kürze soll diese veröffentlicht werden. Damit ist Passau die vierte bayerische Diözese nach München und Freising, Würzburg und Augsburg, die Zahlen offenlegt.

Als Grundlage für seine Recherchen dienten von Knorring nach eigenen Worten vor allem die Personalakten der Priester. “Wir haben diese Akten dann ergänzt durch andere Bestände im Archiv und Registratur.” Dazu gehörten etwa Unterlagen aus Pfarreien, Dekanaten, Klöstern, Schulen oder Nachlässen von Priestern sowie jene von der Interventionsbeauftragten des Bistums.

Nicht zu unterschätzen sei das Geheimarchiv beim Bischof gewesen, sagte der Wissenschaftler und verwies darauf, dass ein solches kirchenrechtlich vorgeschrieben sei. “Gewisse Fälle, wo es gemäß Kirchenrecht zumindest eine Voruntersuchungen gegeben hat, müssen in einem Geheimarchiv gesondert verwahrt werden. Das ist ganz simpel ein Stahlschrank in den Räumlichkeiten des Bischofs, in dem Akten lagern.” Ein solches gebe es in allen Bistümern, so von Knorring. Die entsprechenden Bestände seien, soweit er es überblicken könne, auch in alle einschlägigen Studien eingeflossen.

Dank zweier Aufrufe über die Medien hätten sich 25 Betroffene für ein Interview zur Verfügung gestellt, berichtete von Knorring und sprach von einer erstaunlich guten Resonanz. “Wir haben auch Zeitzeugen befragt, Leute, die etwas beobachtet haben – vom Verwandten bis hin zum Gemeindemitglied und Kirchenmitarbeiter. Insgesamt sind wir so auf knapp 60 Interviews gekommen.”

Der Wissenschaftler schätzt, dass die Studie Aufsehen erregen werde, “weil ich denke, dass wir Ergebnisse haben, die in den interessierten Teilen der Bevölkerung so nicht unbedingt erwartet werden”. Konkrete Empfehlungen fürs Bistum werde es nicht geben. “Wir werden uns da eher zurückhalten. Als Historiker bin ich dafür da, die Vergangenheit aufzuarbeiten, aufzuzeigen, was wie aus welchen Gründen gelaufen ist und warum nicht anders.” Er zeigte sich überzeugt, dass man sich im Bistum und in Gremien wie Aufarbeitungskommission und Betroffenenbeirat intensiv mit der Studie auseinandersetzen werde, um Schlüsse für die Zukunft zu ziehen.