In den reichen Ländern der Welt sind das heute Selbstverständlichkeiten: feste Toiletten, sauberes Wasser und solide Hygienestandards. Doch weltweit leben immer noch rund 3,5 Milliarden Menschen ohne gesicherte Sanitärversorgung wie Toiletten, Waschbecken und Duschen, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Unicef melden. Täglich sterben weltweit geschätzt 1.000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen. Mehr als 400 Millionen Menschen verrichten ihr Geschäft im Freien. Alexandra Roth leitet die Auslandsabteilung beim katholischen Hilfswerk missio in München. Anlässlich des Welttoilettentags am Mittwoch (19.11.) sprach sie mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) über das globale Entwicklungsziel „Sichere Toiletten für alle bis 2030“.
epd: Frau Roth, fast die Hälfte aller Menschen lebt noch immer ohne gesicherte Sanitärversorgung. Sehen Sie trotzdem eine positive Entwicklung?
Alexandra Roth: Ja. Vor etwa 20 Jahren ist das Thema langsam aufgekommen und hat seither an Bedeutung gewonnen. In den internationalen Organisationen entstand das Konzept „WASH“ für „water“, „sanitation“ und „hygiene“. Denn alle drei gehören zusammen: sauberes Trinkwasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene. Heute wird das selbstverständlich zusammengedacht. 2001 haben die Vereinten Nationen den Welttoilettentag ausgerufen.
epd: Welche neuen Herausforderungen stellen sich bei dem Thema?
Roth: Immer mehr Menschen ziehen in die Städte. Darum betrifft das Toilettenproblem gar nicht nur ärmere Menschen aus dem globalen Süden, sondern ganze urbane Räume, deren Infrastruktur darauf ausgerichtet werden muss. Außerdem müssen sanitäre Anlagen etwa den Überschwemmungen standhalten, die aufgrund des Klimawandels zunehmen. Im mongolischen Ulaanbaatar etwa hat die Kernstadt ein gutes System. Aber die Stadtviertel außerhalb des Zentrums, wo die untere Mittelklasse wohnt, das müssen nicht mal Slums sein – dort gibt es keine Kanalisation, sondern quasi nur „Plumpsklos“.
epd: Dabei ist das schon Fortschritt angesichts von fast einer halben Milliarde Menschen, die weiterhin ihre Notdurft auf dem Feld verrichten.
Roth: Ja, die freie Natur ist die unterste Stufe. Die Latrine als eigene Einrichtung außerhalb des Hauses ist schon die zweite Stufe. Die höchste sind dann Toiletten mit Wasserspülung.
epd: Wird weltweit Toilettenpapier genutzt?
Roth: In den Städten ist Papier Standard, doch auf dem Land gibt es regionale Besonderheiten. In Äthiopien etwa werden zum Säubern teilweise Steine verwendet. In Indien benutzt man häufig einfach die Hand, es gibt aber immer Handwaschmöglichkeiten.
epd: Wie wirkt sich das Toilettenproblem speziell auf Frauen und Mädchen aus?
Roth: Wenn Toiletten fehlen, sind sie ihrer Umgebung ausgesetzt, was auch ein Sicherheitsproblem ist. Gerade in Flüchtlingscamps ist die sanitäre Lage prekär, und es kommt zu Konfliktsituationen. Frauen und Mädchen gehen dann lieber weiter weg aufs Feld oder in die Büsche, was vor allem nachts nicht ungefährlich ist. Es gibt auch einen Bildungsaspekt: Wenn es in der Schule keine getrennten Toiletten gibt, bleiben viele Mädchen während ihrer Menstruation zuhause und verpassen Unterricht.
epd: Was sind Beispiele, wo es gut klappt?
Roth: Die Mutter-Teresa-Schwestern in Indien etwa bauen bei ihren Einrichtungen immer Toiletten, gerade auch spezielle für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Das gehört für sie zu einem Leben in Würde dazu. In den von ihnen geführten Schulen achten sie darauf, dass die WCs gut eingerichtet sind. In einem Mädcheninternat in Burkina Faso wurde eine Toilettenetage geschaffen, und wir von missio haben Toiletten für Schulen in Äthopien gebaut.
epd: Was ist mit Hygienestandards wie Händewaschen?
Roth: Einen Fortschritt sehen wir seit der Covid-Pandemie: Diese hat das Bewusstsein fürs Händewaschen weltweit geschärft. Wir von missio haben beispielsweise Hygienesets finanziert – mobile Handwaschstationen mit Kanister oder auch Desinfektionsspender. Die sieht man jetzt häufig, etwa in Schulen in Äthiopien. Beim Händewaschen ist wirklich ein Umdenken zu erkennen.
epd: Welche kulturellen Eigenheiten fordern bei der Planung von Sanitäranlagen heraus?
Roth: In der Mongolei etwa gibt es heiße Duschen, wo die Frauen auf der einen und die Männer auf der anderen Seite stehen und sich alle entspannt verhalten. In anderen Kulturen ist das oft ganz anders.
epd: Wie bringt man die Bedeutung von Hygiene überall ins Bewusstsein?
Roth: Die Aufklärung, was ohne Hygiene passiert, läuft überall – in Frauengruppen, Schulen, Kindergärten. Das Thema Toiletten ist auch kein solches Tabu mehr in den Dörfern. Wenn wir irgendwo Toiletten bauen, denken wir Partner mit, die dafür die Verantwortung übernehmen. Oft wird im Dorf eine Person dafür benannt, und dann klappt das Instandhalten auch.
epd: Kann man nicht gleich umweltfreundliche Toiletten bauen? In Japan wird für die Klospülung gebrauchtes Wasser wiederverwendet.
Roth: Auch in Afrika gibt es innovative Ansätze, die dort je nach Klima geeignet sind, etwa kompostierbare Toiletten. Aber die Diskussion um andere technische Innovationen bei Toiletten bleibt eher auf die Industrieländer beschränkt. (3586/17.11.2025)