Karen Sommer-Loeffen (Jahrgang 1961) ist Referentin der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) und Geschäftsführerin des Fachverbandes der Evangelischen Bahnhofsmission RWL. Ihre Arbeitsfelder sind Bahnhofsmission, Ehrenamt und Hospizarbeit. Über ihre Erfahrungen aus der Ehrenamtsarbeit und dabei auftretende Probleme sprach Sabine Damaschke mit der Expertin und Mitverfasserin der neuen Diakonie-Broschüre „Wenn Helfen nicht mehr gut tut“.
Frau Sommer-Loeffen, Sie betreuen schon seit vielen Jahren die Ehrenamtsarbeit bei der Diakonie RWL und haben an der neuen Broschüre mitgeschrieben. Kommt es oft vor, dass – entsprechend dem Titel des Wegweisers – Helfen nicht mehr gut tut?
Über ausgebrannte Ehrenamtliche und Konflikte rund um das freiwillige Engagement wird nicht gerne geredet. Aber natürlich gibt es das Problem schon lange, und es beschäftigt viele unserer Einrichtungen. Dort, wo Aufgabenfelder nicht klar benannt werden, Strukturen fehlen und das Hilfeverständnis nicht reflektiert wird, kann es leicht zur Überforderung von Ehrenamtlichen, aber auch Hauptamtlichen kommen, die mit den Freiwilligen zusammenarbeiten.
Ehrenamt ist auch nicht gleich Ehrenamt. Die Betreuung von Flüchtlingen etwa ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Da brauchen Ehrenamtliche eine gute Begleitung, damit es nicht zu einer Überforderung kommt.
Woran merken Helfende und Hauptamtliche denn, dass das Helfen nicht mehr gut tut?
Anzeichen einer Überforderung bei Ehrenamtlichen können Aggressivität, Lustlosigkeit, Ungeduld, häufiges Zuspätkommen oder auch Unzuverlässigkeit sein. Es gibt aber auch das Phänomen des „Überengagements“. Wenn das Ehrenamt zum alleinigen Lebensinhalt wird, dann ist ein soziales, körperliches und emotionales Burnout zu befürchten.
Kritisch wird es vor allem, wenn sich die Nutzer, also die Menschen, die Unterstützung erhalten, beschweren. Das kommt nicht nur vor, wenn Helfer unzuverlässig sind, sondern auch, wenn sie übergriffig und bevormundend auftreten, also keine andere Meinung als ihre eigene akzeptieren oder Hilfe aufdrängen und permanente Dankbarkeit erwarten.
Hinter diesem Verhalten der Helfer stecken häufig persönliche Probleme. Manchmal ist es die veränderte Lebenssituation etwa durch Tod und Trauer oder Krankheit. Manchmal liegt es auch daran, dass Ehrenamtliche mit ihrer Persönlichkeit und ihrer Haltung einfach nicht in bestimmte Arbeitsfelder passen.
Wie können die hauptamtlich Mitarbeitenden in den Organisationen darauf reagieren?
Sie sollten in jedem Fall das Gespräch suchen. Dafür haben wir in der Broschüre einen Leitfaden entwickelt, denn mit diesen Gesprächen tun sich viele Mitarbeitende schwer.
Es gibt auch eine Checkliste, mit der die freiwilligen Helfer selbst feststellen können, ob sie am richtigen Platz arbeiten, und ihre Ressourcen für das Ehrenamt überprüfen können. Diese Selbstreflexion ist sehr wichtig. Darin sollten Einrichtungen ihre freiwilligen Helfer meines Erachtens stärker unterstützen, indem sie ihnen regelmäßig Mitarbeitergespräche, aber auch Fortbildungen anbieten.
In der Broschüre plädieren Sie dafür, dass Grenzen geachtet werden – und zwar von allen Beteiligten: den freiwilligen Helfern, den Nutzern und den hauptamtlich Mitarbeitenden der Einrichtungen. Ist das nicht selbstverständlich?
Leider nicht. Es fällt sowohl den Ehrenamtlichen als auch den Einrichtungen oft unglaublich schwer, „Nein“ zu sagen. Wenn wir zu diesem Thema eine Veranstaltung anbieten, ist das Haus immer voll.
Ich beobachte, dass sich insbesondere Kirchengemeinden damit schwertun, sich von freiwilligen Helfern zu verabschieden, die ihre Aufgaben nicht im Sinne der Gemeinde erfüllen. Stattdessen werden sie von einem Arbeitsfeld ins nächste weitergereicht.
Aber es gibt auch viele Ehrenamtliche, die sich nicht trauen, „Nein“ zu sagen, wenn ihnen immer mehr Aufgaben übertragen werden.