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Heimlicher Schatz der Gemeinde

Sie sind die Schaltstelle und oft auch die gute Seele einer Kirchengemeinde: die Sekretärinnen im Gemeindebüro. Bei ihnen laufen die Fäden zusammen. Wer eine Frage oder ein Problem hat, wendet sich an sie.

Stapelweise liegen die druckfrischen Gemeindebriefe hinter der Tür. Sie sind entsprechend abgezählt und auf Kartons verteilt. Sie warten darauf, verteilt zu werden. Rund 100 Menschen erledigen diese Aufgabe in der Kirchengemeinde Warburg. Aber längst nicht alle kommen selbst vorbei, um ihren Teil abzuholen. „In manche Orte nehmen sie unsere Pfarrer mit und geben sie weiter“, sagt Heike Kevenhörster.

Evangelische Gemeinde in der Diaspora

Sie und Birgit Wiemers sind Gemeindesekretärinnen in der Evangelischen Kirchengemeinde Altkreis Warburg im Südosten Westfalens. Flächenmäßig dürfte es eine der größten Kirchengemeinden in der Evangelischen Kirche von Westfalen sein. „Nach dem Zusammenschluss mehrerer Kirchengemeinden im Jahr 2015 ist das Gebiet 30 mal 30 Kilometer groß“, weiß Birgit Wiemers. Weitere Details: etwa 8000 Gemeindeglieder, drei Pfarrstellen für die drei Seelsorgebezirke, sechs Predigtstätten – fünf davon werden regelmäßig bedient. Die Gemeinde liegt in der Diaspora, die Mehrheit der Bevölkerung dort ist katholisch.

Die Tür geht auf. Ralf Filker, ein engagiertes Gemeindemitglied, kommt und bringt sein Fahrtenbuch vorbei. Außerdem ein paar Freikarten für ein Musical-Projekt, das er organisiert. Er plaudert und scherzt mit den beiden Sekretärinnen und sagt: „Gemeindesekretärinnen, das sind die heimlichen Schätze der Gemeinde. Sie haben eine Schlüsselfunktion.“ Die beiden Frauen freuen sich über das Lob. Das Telefon klingelt, Filker verabschiedet sich. Jemand will wissen, ob die Gemeindebriefe schon da sind. Birgit Wiemers gibt Auskunft. „Wir sind froh, wenn die Briefe zügig abgeholt werden und sich unser Büro wieder leert.“

Heike Kevenhörster kommt aus Warburg und arbeitet seit zwei Jahren in der Kirchengemeinde. Zehn Stunden im Gemeindebüro, zwölf Stunden bei der Diakonie im Bereich Schuldnerberatung nebenan. Birgit Wiemers arbeitet seit neun Jahren in dem Beruf. Vor dem Gemeindezusammenschluss war sie in Borgentreich. Sie ist mit 15 Stunden angestellt. „Bis vor zwei Jahren gab es noch 40 Stunden für das Gemeindebüro. Doch als die Kollegin damals in Rente ging, wurde auf 25 Stunden gekürzt“, sagt Birgit Wiemers. Wirklich weniger geworden ist die Arbeit allerdings nicht. „Trotzdem müssen wir es irgendwie schaffen.“ Eine Folge ist, dass das Gemeindebüro nur an drei Tagen geöffnet ist. Zweimal vormittags und einmal nachmittags. „Das finden nicht alle gut, aber es geht nicht anders.“ Manchmal sind die beiden Sekretärinnen gemeinsam im Büro. „Das ist wichtig für Absprachen“, sagt Heike Kevenhörster. „Außerdem können wir uns auch mal austauschen oder uns zur Seite stehen, wenn jemand seinen Frust bei uns ablädt.“

Das Telefon klingelt wieder. Jemand von der Frauenhilfe. Heike Kevenhörster kann weiterhelfen. Im nächsten Moment klopft es an der Tür. Eine Frau möchte Zeugnisse beglaubigt haben. „Das können wir hier nicht machen“, sagt Birgit Wiemers. Während die drei Frauen darüber diskutieren, was ein Pfarrer beglaubigen darf, klopft es wieder. Eine Frau steckt den Kopf durch die Tür – sie wolle nicht stören, nur eben ihre Gemeindebriefe abholen. Die Frau mit den Zeugnissen hat einen guten Tipp für die Beglaubigung bekommen und verabschiedet sich.

„Es gibt Tage, da ist so viel los und wir kommen kaum zu dem, was wir uns an Arbeit vorgenommen haben“, sagt Heike Kevenhörster. „Dann wieder gibt es Zeiten, wo es total ruhig ist.“ Aber das mache den Beruf auch so interessant. „Es ist vielschichtig“, sagt Birgit Wiemers. „Man weiß morgens nie, was alles auf einen zukommt. Das mag ich. Und man hat Kontakt mit Menschen aller Art.“

Die beiden Frauen haben sich die Bereiche aufgeteilt. Da Heike Kevenhörster eine kaufmännische Ausbildung hat, ist sie für Finanzen zuständig – wie etwa das Kollektengeld. Auch die Gemeindenachrichten für UK macht sie, das kostet Zeit. Birgit Wiemers kümmert sich um alles, was mit den drei Friedhöfen zu tun hat. Außerdem bereitet sie Presbyteriumssitzungen vor und ist für Kirchbucheinträge und die Organisation rund um die Konfirmandenarbeit zuständig. „Vieles machen wir je nachdem, wie es reinkommt: Patenscheine, Fragen zur Trauung und so“, sagt sie. Manches muss auch mit den beiden Pfarrern und der Pfarrerin abgesprochen werden. Alle zwei Wochen gibt es eine Dienstbesprechung.

Derzeit sitzen die Sekretärinnen an der Vorbereitung zur Jubelkonfirmation. „Das ist manchmal Detektivarbeit“, sagt Heike Kevenhörster. „Da sind wir auch auf die Mitarbeit aus den Gemeinden angewiesen.“ Alte Kirchenbücher sind da zwar eine große Hilfe, „aber manchmal ist die Schrift so unleserlich oder aber es ist in Sütterlin geschrieben. Beides ist eine Herausforderung“.

Menschen geben sich die Klinke in die Hand

Wieder klopft es. „Hallo Heike, wir wollen nur schnell unsere Arbeit abholen.“ Ein Ehepaar kommt rein, schnappt sich einen Karton mit Gemeindebriefen und ist wieder weg. Kurz darauf kommt eine Frau, die auf der Suche ist nach einem Raum für ihre Krabbelgruppe. Birgit Wiemers zeigt ihr das Gemeindehaus. Demnächst wird die Frau mit ihrer Gruppe kommen.

Es ist bald 17 Uhr, Dienstschluss für die beiden. Heike Kevenhörster muss aber unbedingt noch die Abkündigungen für Sonntag fertig machen. „Das schaffe ich.“ Es war ein trubeliger Nachmittag – mit positiver Nebenwirkung: Die Stapel mit den Gemeindebriefen sind viel kleiner geworden.