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Heiligabend war “Vullbuksabend”

Im vorwiegend protestantisch geprägten Mecklenburg waren Krippenspiele zum Heiligabend (24. Dezember) vor 100 und mehr Jahren eher eine Ausnahme. Darauf machte der promovierte Volkskundler Christoph Schmitt (69) aus Rostock im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) aufmerksam. Und zur Kirche seien die Menschen, abgesehen von der sozialen Oberschicht, damals meist erst am 25. Dezember gegangen. Denn am Heiligabend seien – verkleidet und maskiert – der Rug’klas und seine Spielerschar umhergezogen und in die Häuser eingekehrt, vor allem auf dem Land.

Am Heiligabend sei es zünftig zugegangen, wie bei einer Fastnacht. „Denn die unverheirateten Knechte hatten Zeit, konnten – verkleidet und maskiert – mal Luft ablassen, sich Mädchen annähern, sie necken oder auch mit einem Aschebeutel schlagen“, erklärte der Europäische Ethnologe Schmitt, der von 1999 bis 2022 die Wossidlo-Forschungsstelle der Universität Rostock geleitet hatte.

Zudem sei Heiligabend damals „Vullbuksabend“ (hochdeutsch: Vollbauchsabend) gewesen, an dem Gerichte wie Schwarzsauer und Gänsebraten gegessen wurden. In den Bauerndörfern habe es das Weihnachtsblasen der Hirten gegeben. Zum Teil sei auch der Jule-Brauch praktiziert worden, etwa in Warnemünde. „Dieser Brauch entstand unter schwedischem Einfluss: Unsichtbare Gabenbringer wie der Julebuck warfen kleine Geschenke in die Wohnungen“, sagte Schmitt.