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Hebammenwesen und Glas-Handwerk sind immaterielles Kulturerbe

Mit dem Hebammenwesen und traditionellen Glas-Handwerkstechniken hat die Unesco zwei Praktiken aus Deutschland auf die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Die Anträge wurden jeweils mit anderen Ländern gemeinsam gestellt und am Mittwoch vom verantwortlichen Ausschuss angenommen, wie die deutsche Unesco-Kommission in Bonn erklärte. Bei der Sitzung des zwischenstaatlichen Ausschusses in Botswana wurden insgesamt 55 neue Einträge in die Unesco-Liste aufgenommen, darunter der Operngesang aus Italien, das muslimische Fastenbrechen Iftar und die Rikscha-Malerei in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch.

„Das grundlegende Wissen und Können von Hebammen gleicht sich auf der ganzen der Welt, weist aber je nach Erdteil viele regionale und kulturelle Besonderheiten auf“, hieß es. An dem Antrag hatten sich Deutschland, Kirgisistan, Kolumbien, Luxemburg, Nigeria, Slowenien, Togo und Zypern beteiligt. Überall auf der Welt stünden Hebammen Gebärenden zur Seite und schützten mit ihrer Arbeit grundlegende Menschenrechte, hieß es. Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen sei über Generationen hinweg bewahrt, weiterentwickelt und weitergegeben worden.

Der Deutsche Hebammenverband begrüßte die Aufnahme in die Unesco-Liste. Damit werde die „herausragende Stellung des Hebammenwesens als wichtigen Teil der menschlichen Kultur und Tradition“ gewürdigt, erklärte die Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer.

Die Unesco nahm auch die manuelle Glasfertigung in Deutschland, Finnland, Frankreich, Spanien, Tschechien und Ungarn als immaterielles Kulturerbe an. Dies umfasst die Herstellung und Gestaltung von heißem und kaltem Glas. Die ersten Glashütten in Deutschland, Frankreich und Spanien entstanden laut Unesco in vorchristlicher Zeit. Im frühen Mittelalter verlagerte sich die Herstellung in Regionen, die über große Holz- und Sandvorkommen verfügten, den damals wichtigsten Rohstoffen der Glasfertigung. So entstanden Hütten in Tschechien, Ungarn und Finnland.

Glas wird bei Temperaturen von weit über 1.000 Grad Celsius geschmolzen und ist nur für kurze Zeit formbar. Es kann mithilfe einer Pfeife aufgeblasen und dann durch Drehen, Schwenken und mit Werkzeugen in die gewünschte Form gebracht werden. Für Flachglas wird das heiße Ausgangsmaterial zu einer Walze gestreckt und weiterverarbeitet. Handgearbeitetes Glas spielt bis heute eine Rolle in Design, der Fertigung von Prototypen, bei technischen Spezialanwendungen, wird für Restaurierungsarbeiten, in Architektur und Kunst verwendet.

Vertreter der Museen der Glashütten Baruth (Brandenburg), Gernheim (Westfalen) und Lamberts (Oberpfalz) kündigten internationale Projekte gemeinsam mit den Partnern der anderen Bewerber-Nationen an. Das Wissen über die manuelle Glasfertigung werde in Deutschland nur noch von wenigen Menschen bewahrt und weitergegeben, hieß es.

Bereits am Dienstag hatte die Kommission einen weiteren Antrag mit deutscher Beteiligung angenommen: die jahrhundertealte landwirtschaftliche Technik der traditionellen Bewässerung. Den Antrag hatten Belgien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Deutschland gemeinsam gestellt. Durch die Nutzung der Schwerkraft würden bis heute landwirtschaftliche Flächen bewässert, hieß es. Dafür werde Wasser aus Flüssen und Kanälen auf Felder und Wiesen umgeleitet. Dies leiste einen entscheidenden Beitrag dazu, „die biologische Vielfalt unserer Kulturlandschaften zu erhalten“, betonte die Unesco-Kommission.

Der zwischenstaatliche Ausschuss zum immateriellen Kulturerbe entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die Welterbe-Listen. Das Gremium setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten der Konvention zusammen, darunter Deutschland.